Leser Joachim B. fragt: Wieso bewacht ein Krieger die Graffitis Cannstatt? Foto: StN

Unsere Sommerserie „Stuttgarter Entdeckungen“ stößt auf große Resonanz. Leser Joachim B. fragt: „Wie kam es dazu, dass bei der König-Karls-Brücke in Bad Cannstatt ein germanischer Krieger die Hall of Fame der Graffiti-Sprayer bewacht?“

Stuttgart - Wie kam es dazu, dass bei der König-Karls-Brücke in Bad Cannstatt ein germanischer Krieger die Hall of Fame der Graffiti-Sprayer bewacht? Dies ist eines von zahlreichen Rätseln, die unsere Leserinnen und Leser stellen und in ihrer Post an die Redaktion meist auch selbst lösen. Unsere Sommerserie „Stuttgarter Entdeckungen“ ist bereits wenige Tage nach dem Start auf große Resonanz gestoßen. Was uns besonders freut: In vielen Einsendungen haben unsere Spurensucher und „Stadtdetektive“ eigene Fotos mitgeschickt. In der StN-Sommerserie dürfte es also noch etliche spannende Folgen geben. Wir wollen Geschichten aufspüren, die in den vielen Winkeln der Stadt verborgen sind. Die Serie blickt auf Orte, Fassaden oder Kulturdenkmale, die sich nicht auf den ersten Blick erklären.

Leser Joachim B. hat das Bild eines steinernen Helden geschickt, der vor Graffiti-Kunst in Bad Cannstatt auf einem kleinen Sockel hockt und aus einer anderen Zeit zu kommen scheint. Der Germane hat schon einige Umzüge hinter sich. Einst schmückte die Skulptur die König-Karls-Brücke, die schon bei ihrer Einweihung 1893 als Meisterwerk der Ingenieurbaukunst galt. Geschaffen hat sie der Bildhauer Adolf Fremd (nach dem auf dem Killesberg ein Weg benannt ist). Vor den vier Brückenpylonen sollten mächtige Figuren stehen, als Symbole für Landwirtschaft, Gewerbe, Handel und Macht (Wehrstand, wie man damals sagte).

Allerdings fehlte dafür das Geld. Der Bildhauer konnte nur die Sparvariante herstellen: Auf einem Gestell aus Holz und Leinwand trug er eine dünne Gipsschicht auf, die der Witterung aber nicht standhielt. Die „Schwäbische Chronik“ machte sich 1896 darüber lustig: „Für die vier in abgerissenen Gewändern bei Sturm und Wetter, Tag und Nacht an der Brücke sitzenden Gestalten wird um abgetragene Kleider und Schuhwerk gebeten.“ Schließlich finanzierten Kaufleute die Skulpturen. Bis 1901 war das Quartett fertig, gehauen aus Marmor und Kalkstein. Die Nazis zerstörten im April 1945 die Brücke. Mit der Sprengung wollten sie die alliierten Truppen aufhalten.

Von den vier Skulpturen sind seitdem zwei verschwunden. Die anderen beiden wurden in einem Steinbruch in Münster eingelagert. In den 1970ern kehrten sie in die Nähe der heutigen König-Karls-Brücke zurück, die bereits das dritte Viadukt mit diesem Namen ist. Die Figur Handel steht nun an der Stadtbahnhaltestelle Mineralbäder – der germanische Krieger hat seinen Platz am Ufer neben der Brücke gefunden.