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Für die beiden Vermissten nach dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs gibt es kaum noch Hoffnung. An der Unglücksstelle soll frühestens am Abend mit der Suche nach Verschütteten begonnen werden.

Köln - Für die beiden Vermissten nach dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs gibt es kaum noch Hoffnung. An der Unglücksstelle soll frühestens am Abend mit der Suche nach Verschütteten begonnen werden. Mit Baggern und anderem schweren Gerät mussten die Rettungskräfte zunächst ganze Hausruinen einreißen und Hohlräume im Boden auffüllen, um einen neuen Erdrutsch zu verhindern.

Die Familie eines der beiden Vermissten teilte mit, dass sich der junge Mann zum Unglückszeitpunkt wohl in seiner Wohnung in einem der zusammen mit dem Archivhaus eingestürzten Nachbarhäuser aufgehalten habe. "Wir als Khalils Familie und viele seiner Freunde bangen um Khalils Leben und hoffen, dass er vielleicht doch lebend geborgen werden kann", schrieb die Familie.

Das Archivgebäude und zwei Nachbarhäuser waren am Dienstag eingestürzt, möglicherweise aufgrund von Arbeiten zum Ausbau der U- Bahn. Dennoch sprach sich Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) für eine Fertigstellung der Nord-Süd-Bahn aus. "Am Ende muss die U-Bahn so fertiggestellt werden, wie sie geplant war", sagte er. Allerdings plädierte er für eine "temporäre Atempause".

Die Kölner Verkehrsbetriebe und die Bauunternehmen müssten den Bau nun erst einmal unterbrechen und alle Gefahrenpunkte noch einmal durchgehen, da die Bürger beunruhigt seien.

Am Donnerstag war auch ein Gymnasium einsturzgefährdet, das an das eingestürzte Archiv angrenzt. Es wurde mit einer Holzkonstruktion gestützt. Den Anwohnern, die ihre Wohnungen wegen der Einsturzgefahr verlassen mussten, sagte Schramma schnelle Hilfe zu: "Wir können die Leute jetzt nicht mit bürokratischem Gedöns aufhalten." Wer seine Wohnung verloren habe, werde erst einmal in einer anderen untergebracht, und die Stadt trete in Vorfinanzierung. Die Bewohner eines Altenheims konnten dagegen am Donnerstag zurückkehren.

Mehrere Experten wiesen darauf hin, dass ein Unglück wie in Köln sehr unwahrscheinlich sei. So sagte der Tunnelbau-Experte Professor Bernhard Steinauer der Deutschen Presse-Agentur dpa: "Normalerweise kann da nichts passieren." Die Statik werde permanent neu berechnet, ständig gebe es Kontrollen. Bei einem Unglück wie dem in Köln müssten schon "sehr viele Zufälle und ungünstige Situationen" zusammenkommen. Der Einsturz könne aber kein Grund sein, den U-Bahn-Bau in Köln zu stoppen.

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) sprach von einer "kulturellen Katastrophe". Er kündigte an, dass die Landesbehörden zusammen mit den Kommunen die Sicherheit sämtlicher Archive untersuchen würden. Es gebe eine "Verpflichtung gegenüber der nächsten Generation, das kulturelle Erbe, das wir übernommen haben, zu erhalten", sagte Rüttgers.

Zum Schutz der verschütteten Schätze des Kölner Stadtarchivs will die Feuerwehr eine provisorische Dachkonstruktion über den Trümmern aufbauen. Sie werde aus Blechen und Planen bestehen und die Dokumente hoffentlich vor Regen schützen, sagte der Direktor der Kölner Feuerwehr, Stephan Neuhoff.

Volker Hingst, der Leiter der Papierrestaurierung im Restaurierungszentrum Brauweiler bei Köln, rechnet mit bis zu 30 Jahren für die Wiederherstellung der verschütteten Archivdokumente: "Eine ganze Generation von Papierrestauratoren wird sich damit beschäftigen müssen", schätzte der Fachmann. Viel Unwiederbringliches sei wohl auch komplett zermahlen worden. Der Leiter des Archivamtes für Westfalen in Münster, Marcus Stumpf, sagte: "Für das deutsche Archivwesen ist das ein Super-Gau."