Mit ihrer Projektreihe „Schmeck nei!“ will die Ökumenische Fachstelle Asyl in Ludwigsburg niedrigschwellige Begegnungen mit Geflüchteten ermöglichen – zum Vorteil für beide Seiten.
Jehan Alali deutet auf die Flasche Olivenöl. „Jawohl“, sagt Andreas, holt die Flasche und drückt sie ihr in die Hand. Alali kippt den Inhalt der Flasche in die Schüssel vor sich. „Boah, isch des viel Öl. Des schwimmt ja im Öl“, staunt Renate. Warum sie zwei verschiedene Öle, also Sonnenblumenöl und Olivenöl, verwendet habe, fragt Renate. Jehan Alali zuckt mit den Schultern. „Lecker“, antwortet sie und lacht verschmitzt.
Im Begegnungscafé „Häppchen & Schnäppchen“ der Caritas in Ludwigsburg wird an diesem Donnerstagabend gemeinsam gekocht. Auf dem Plan steht aber nicht schwäbische Küche, sondern syrische. Hähnchenkeulen mit Kartoffeln aus dem Backofen, gefüllte Weinblätter, ein Reis-Linsen-Gericht und Hummus gibt es. Und darüber hinaus: jede Menge Begegnungen.
Positive Erlebnisse mit Integration
„Wir bringen Kochkulturen zusammen“, lautet der Slogan der Projektreihe „Schmeck nei!“, die von der Ökumenischen Fachstelle Asyl in Ludwigsburg ins Leben gerufen wurde. Es geht darum, Menschen mit und ohne Migrationshintergrund beim Thema Essen zusammenzuführen. Dabei ist es egal, ob zusammen gekocht wird, ob die Teilnehmer bekocht werden oder – wie am Donnerstagabend – ein Kochkurs angeboten wird.
Das Besondere an dem Projekt sei der Rollenwechsel, erklärt Steffen Benzler, einer von drei Ehrenamtlichen bei der Fachstelle. Denn da seien es die Geflüchteten, die den Menschen hierzulande etwas beibringen und ihnen Anweisungen geben. „Die Idee war, dass wir einen Raum bieten, in dem die Menschen Vielfalt positiv erleben können. Denn positive Erlebnisse mit Integration passieren viel öfter als man denkt“, sagt Benzler.
Neue Erfahrungen als Motivation
Es brauche allerdings schon etwas Mut, um hierherzukommen, räumt Benzler ein. Warum die Menschen an diesem Donnerstag gekommen sind? „Weil ich gerne reise und etwas Neues kennenlerne – in Syrien war ich noch nie“, sagt Roswitha Baur. Sie ist zusammen mit Gisela Dröge in der Vesperkirche Ludwigsburg aktiv und erhielt darüber die Einladung für den Kochkurs. „Ich selbst habe es nicht so mit dem Kochen“, gibt Dröge zu. Neue Esskulturen kennenlernen, das schon. Die Küche Thailands oder Vietnams kennt sie bereits, die syrische Küche dagegen noch nicht.
Angelika Hoffmann bekam die Einladung über Female Fellows in Bietigheim-Bissingen, ein Tandem-Projekt, das Frauen mit und ohne Migrationshintergrund zusammenbringen soll. „Syrische Frauen stehen unter besonderem Druck. Sie verdienen besondere Unterstützung“, sagt sie. Sie verfolge auch die Politik in Syrien aufmerksam. „Und mich interessiert die syrische Küche, weil ich gerne koche.“
Auch ohne viele Worte versteht man sich
Jehan Alali wuselt den ganzen Abend hin und her. In Expressgeschwindigkeit rollt sie die Weinblätter, dann schneidet sie die Hähnchenschenkel auf, kurz darauf steht sie schon wieder am Herd und prüft, ob die Linsen fertig sind. Ihre Tochter hat sie extra mitgebracht, damit sie übersetzen kann, denn selbst spricht sie kein flüssiges Deutsch. Doch das ist eigentlich nicht nötig, denn die wenigen Worte und Gesten reichen, damit die Teilnehmer wissen, was sie will. „Man versteht sich auch so“, sagt Christina Reinold, die den Abend moderiert.
In der ersten Runde der Projektreihe fanden ab November vergangenen Jahres elf Kochveranstaltungen mit rund 300 Teilnehmern statt. An diesem Donnerstag sind es 14 Teilnehmer – alle ohne Fluchtgeschichte. In der Region gab es bereits Kochkurse mit einem durchmischten Publikum, um nicht nur etwas über eine ausländische Küche zu lernen, sondern auch um interkulturelle Bekanntschaften zu schließen.
In Syrien wird in großer Runde gegessen
Seit 2019 lebt Jehan Alali mit ihrer sechsköpfigen Familie in Deutschland. In Syrien ist es ganz normal, dass größer gekocht wird, weil oft die ganze Verwandtschaft zum Essen kommt. Auch jetzt kocht sie noch immer gerne und viel. Der Kochkurs macht ihr sichtlich Spaß.
„Es freut mich, wenn ich anderen etwas beibringen kann“, sagt sie. Bereits zum zweiten Mal bietet sie einen solchen Kochkurs an. Beim ersten Mal habe sie davor eine Zeit lang überlegen müssen, ob sie es machen soll – sie war sich unsicher, wie die Menschen reagieren würden. Doch es lief so gut, dass sie sofort zusagte, als sie jetzt nach einer Fortsetzung gefragt wurde.
Während der Großteil der Teilnehmer am späten Abend bereits Platz genommen hat und sehnsüchtig darauf wartet, essen zu können, steht Jehan Alali noch am Herd. Der Tisch ist eigentlich schon voll, aber sie hat immer noch nicht alles aufgetischt, was sie auftischen will.
Das Kochen ist ihre Leidenschaft – und das schmeckt man auch. „Richtig gut“, „einzigartig“, hört man später immer wieder. Nach einem Abend mit viel Essen und noch mehr Gesprächen gehen alle nach Hause – mit dem Wissen, etwas mehr von der syrischen Kultur kennengelernt zu haben.