Volker Bouffier (l, CDU), Ministerpräsident des Landes Hessen, und sein Stellvertreter, Tarek Al-Wazir (Bündnis 90/Die Grünen), geben nach Koalitionsverhandlungen im Gründerzentrum Start Werk ein Statement. Foto: dpa

CDU und Grüne haben sich in Hessen knapp acht Wochen nach der Landtagswahl auf einen neuen Koalitionsvertrag geeinigt. Nach mehr als elf Stunden Verhandlungen gaben die Koalitionspartner zunächst nur die Verteilung der Ministerien bekannt.

Wiesbaden - Nachts um kurz vor 2 Uhr erhielt Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) ein nachträgliches Geburtstagsgeschenk zu seinem 67. Geburtstag am Vortag. Der Regierungschef verkündete in einem Lokal in Wiesbaden-Biebrich erleichtert: „Wir sind durch, wir haben uns geeinigt, wir haben einen Koalitionsvertrag.“ Die seit Anfang 2014 bestehende schwarz-grüne Koalition in Hessen geht damit in die zweite Runde. Es war das Ergebnis von mehr als elf Stunden Verhandlungen am frühen Mittwochmorgen.

Grünen sind die Gewinner

Etwas Erhebliches wird sich gegenüber der Erstauflage des Bündnisses ändern: Der Anteil der Grünen an der Regierungspolitik und auch dem Kabinett selbst wächst nach ihrem satten Zuwachs bei der Landtagswahl Ende Oktober von 11,5 auf 19,8 Prozent sichtbar. So stellen sie neben Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir und Umweltministerin Priska Hinz künftig zwei weitere Ressortchefs: die für Soziales und Integration sowie für Wissenschaft und Kunst. Über die Kandidaten dafür soll am Samstag in Hofheim eine Landesmitgliederversammlung der Grünen ebenso abstimmen wie über den Koalitionsvertrag. Letzteren wollen CDU und Grüne erst morgen der Öffentlichkeit vorstellen, er wurde gestern in den Landtagsfraktionen der beiden Regierungsparteien beraten.

Nicht nur, dass die Grünen somit ihren Anteil an Landesminister von zwei auf vier verdoppeln werden. Al-Wazir wird zugleich zu einer Art Superminister aufgewertet. Zu Wirtschaft, Energie, Landesentwicklung und Verkehr bekommt er auch noch die Zuständigkeit für den zentralen Bereich Wohnungen hinzu. Die CDU behält die Ressorts, Innen, Justiz, Finanzen, Kultus, Bundesrat und Europa und stellt neben dem Chef der Staatskanzlei noch einen neuen Minister für Digitales. Dieses zusätzliche, der Staatskanzlei zugeordnete Ministerium stieß prompt auf Kritik des Bundes der Steuerzahler. Das Thema Digitalisierung sei ja wichtig, aber zumindest hätte man dafür ein anderes Ministerium einsparen sollen, erklärte er. SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel beklagt dagegen, dass das wichtigste landespolitische Thema der Schaffung bezahlbaren Wohnraums kein eigenes Ministerium bekommt, sondern im Wirtschaftsministerium ein „Anhängsel ohne Gewicht“ bleibt. Diese Bündelung der Zuständigkeiten für Landesplaung und Wohnungen bei Al-Wazir finden die hessischen Unternehmerverbände wiederum ebenso sinnvoll wie das neue Digitalministerium.

SPD kritisiert mangelnden Wohnungsminister

Im Gegensatz zu den Grünen will die CDU ihre Ministerkandidaten erst Mitte Januar benennen. Denkbar ist, dass Innenminister Peter Beuth, Justizministerin Eva Kühne-Hörmann, Finanzminister Thomas Schäfer, Kultusminister Alexander Lorz, Bundesrats- und Europaministerin Lucia Puttrich sowie der Chef der Staatskanzlei, Axel Wintermeyer, im Amt bleiben. Bouffier ist aber immer auch für Überraschungen gut.

Sozialminister Stefan Grüttner ist aus dem Landtag ausgeschieden, Wissenschaftsminister Boris Rhein galt ohnehin als Wackelkandidat. Wen die Grünen jetzt für diese beiden Ressorts benennen, blieb zunächst offen. Als Sozial- und Integrationsminister könnte der Landesvorsitzende Kai Klose in Frage kommen, der schon bisher Integrationsstaatssekretär war, für das Wissenschaftsministerium wäre dann wohl eine Frau gesetzt, vielleicht die andere Landesvorsitzende Angela Dorn. Möglich ist aber auch ein Wechsel von Fraktionschef Mathias Wagner ins Kabinett.

Digitalisierung großes Thema

Zum Inhalt des nach seinen Angaben recht umfangreichen Koalitionsvertrags sagte Bouffier nur, dass darin die beiden Themen Digitalisierung und ländlicher Raum eine wichtige Rolle spielten. Wenig überraschend ist, dass die Grünen auf Umwelt und die CDU auf innere Sicherheit besonderen Wert gelegt hätten. Erwartet wird auch, dass ähnlich dem Schüler- nun auch ein Seniorenticket für öffentliche Verkehrsmittel geschaffen wird, ebenso ein Hessen-Pass, der wie der städtische Frankfurt-Pass Menschen mit niedrigen Einkommen Ermäßigungen für Kultur und Sport sichert. Bouffier betonte: „Wir bauen auf auf der vertrauensvollen Zusammenarbeit, die wir in den letzten fünf Jahren geführt haben.“ Al-Wazir sprach von teilweise harten Verhandlungen, die aber immer fair und konstruktiv gewesen seien. Parallel zu den Grünen tagt am Samstag in Nidda ein kleiner Parteitag der CDU. Nach der erarteten Zustimmung soll der Koalitionsvertrag noch vor Weihnachten unterzeichnet werden.