Rot-Grünes Scheitern in Berlin - ist das schon ein Signal für die Bundestagswahl 2013?

Berlin - Rot-Grün galt für die nächste Bundestagswahl 2013 bisher als die Konstellation mit den größten Chancen. Ist nach dem Trauerspiel in Berlin plötzlich auch im Bund alles ganz anders? 

Der Tiefschlag kam nicht unerwartet: SPD und Grüne scheiterten bei ihren Koalitionsverhandlungen für einen neuen Berliner Senat, kaum dass sie damit begonnen hatten. Damit haben auch die Hoffnungen auf die Neuauflage einer rot-grünen Bundesregierung nach der Bundestagswahl im Herbst 2013 einen gehörigen Dämpfer bekommen. In letzten Umfragen kamen SPD und Grüne zusammen auf noch 45 Prozent, Schwarz-Gelb auf 34 Prozent. Immerhin hatten CDU/CSU mit 31 Prozent die Nase vorn - vor der SPD mit 28 Prozent.

Nach dem Scheitern der vermeintlichen Traumpartner in Berlin waren die Parteiführungen umso mehr bemüht, den Ball flach zu halten. So wollte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles keine Auswirkungen auf den Bund erkennen können. "Die SPD wird daraus keine Rückschlüsse für die Zukunft für die Bundesebene ziehen." Den Berliner Grünen warf sie vor, diese seien "intern nicht sortiert". Zum einen gilt das Mantra, dass sich die Zentrale nicht in landespolitische Entscheidungen einmischt. Zum anderen heißt es aus Vorstandskreisen: "Diese 3,4 Kilometer Stadtautobahn sind ein so originär lokales Thema, dass der Streit darüber keine Rückschlüsse auf bundespolitische Schnittmengen zulässt."

Die Grünen wiederum schossen sich auf Wowereit ein: Sein Ziel sei, so Ex-Grünen-Spitzenkandidatin Renate Künast, eine rot-schwarze Koalition gewesen. "Er wollte eine Kapitulation und keine Koalition." Die Bundesvorsitzende der Grünen, Claudia Roth, sieht deswegen die rot-grüne Option im Bund keineswegs ad acta gelegt: "Nur wegen Klaus Wowereit gebe ich die Perspektive einer rot-grünen Koalition im Bund bestimmt nicht auf."

Selbst aus Berliner SPD-Kreisen heißt es, der Regierende Bürgermeister habe die Gespräche wie Tarifverhandlungen geführt: "Er geht mit Maximalforderungen in die Gespräche und ist kaum bereit, Abstriche zu machen. Da verwundert es nicht, dass die Grünen solch einen Umgang kaum erdulden können." So soll SPD-Chef Michael Müller im Streit um den Ausbau der Stadtautobahn die Sitzung unterbrochen haben, und schon während dieser Pause habe die SPD die Nachricht verbreitet, die Gespräche seien gescheitert. Als Müller wieder hereingekommen sei, habe er den Grünen gesagt, Verhandlungen machten keinen Sinn mehr.

Die Enttäuschung bei den Grünen ist verständlich. Sie haben bisher nur zweimal für kurze Zeit in Berlin regiert: 1989/90 und 2001. Vor zehn und vor fünf Jahren entschied sich Wowereit für Rot-Rot. Und nun müssen sie trotz der 17,6 Prozent, die bei der Wahl eingefahren wurden, und einem Zugewinn von mehr als vier Prozentpunkten zusehen, wie er aller Voraussicht nach mit der CDU eine große Koalition eingeht. Die A100 wäre bei dieser Konstellation zumindest kein Problem. Zugleich hätte Wowereit damit eine komfortable Mehrheit. Bei Rot-Grün wären es nur zwei Stimmen gewesen.

Für CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe hat das Scheitern Signalwirkung: "Der Startschuss für eine rot-grüne Renaissance ist damit gründlich nach hinten losgegangen." Auch Wowereits bundespolitischer Stern dürfte sinken, da er mit der CDU koalieren muss. Dabei wurde er in linken SPD-Kreisen als Kanzlerkandidat gehandelt.

Rot-Grün scheint als Traumpaarung entzaubert

Die Grünen hätten sich im Land Berlin - hätten sie dem Bau der umstrittenen Stadtautobahn zugestimmt - nur unter Verlust ihrer Glaubwürdigkeit auch für den Bund an der Regierung beteiligen können. Ihre Glaubwürdigkeit hatte nämlich schon gelitten: In Hamburg, wo sie das zuvor heftig bekämpfte Kohlekraftwerk Moorburg um der Macht willen akzeptierten, oder in Rheinland-Pfalz, wo sie als Regierungspartei ihren Widerstand gegen eine gigantische Moselbrücke plötzlich aufgaben.

Ob SPD und Grüne 2013 als geschlossener Block gegen Schwarz-Gelb in eine Art Lagerwahlkampf ziehen, darf nun bezweifelt werden. Dazu ist die Parteienlandschaft nach dem Höhenflug der Piratenpartei und dem Absturz der Liberalen zu sehr im Umbruch. Spannend wird sein, ob die Grünen-Spitze, die nach der für sie enttäuschenden Berlin-Wahl und vor der Abfuhr durch die Wowereit-SPD von Annäherung an die CDU nichts mehr wissen wollte, ihren Abgrenzungskurs gegenüber den Schwarzen beibehält. Rot-Grün scheint als Traumpaarung entzaubert - vorerst jedenfalls.

Das erinnert stark an die derzeitige schwarz-gelbe Regierung. Die war von Merkel als Wunschkonstellation herbeigesehnt worden. Derzeit zittern sich die Koalitionäre, bei wichtigen Projekten uneinig und gebremst von einer schwächelnden FDP, aber eher recht als schlecht in die zweite Hälfte der Legislaturperiode.

Immerhin einer dürfte sich glücklich schätzen - auch wenn er eigentlich Urlaub machen wollte, um sich vom Wahlkampf erholen. Der Grund, warum daraus womöglich nichts wird, könnte für Frank Henkel nicht erfreulicher sein: Der starke Mann der Berliner CDU kann ernsthaft hoffen, seine Partei nach zehn Jahren zurück in den Senat zu führen. Das liegt nicht nur an SPD und Grünen. Henkel hat seine Partei beruhigt und modernisiert - und selbst das Bild des konservativen Haudraufs abgelegt.

Schon die Wahl war mit einem guten zweiten Platz besser für die Union gelaufen als gedacht. Wenn Henkel zu Koalitionsverhandlungen geladen wird, fährt er auch die Früchte harter Arbeit ein. "Wir haben uns Respekt zurück erkämpft", sagt Henkel - der gelernte Kaufmann und PR-Berater weiß eben auch, wie man sich verkauft. Seit 2008 führt der 47-Jährige Landesverband und Fraktion - nachdem er als lachender Dritter aus einem beispiellosen Machtkampf hervorgegangen war. Henkel trieb die inhaltliche Arbeit voran. Abseits von Wahlkämpfen präsentierte die CDU Papiere zum Arbeitsmarkt oder zur Integration. Henkel bleibt dabei bodenständig.

Der Mann, der wegen seiner Körpergröße kaum zu übersehen ist, pflegt den festen Händedruck. Er berlinert wie sein möglicher künftiger Regierungspartner Klaus Wowereit (SPD). Beide vereint auch ihre joviale Art, wenn auch der Amtsinhaber etwas weltgewandter rüberkommt.

Henkel wuchs im Osten der Stadt auf. Als er 17 war, durfte die Familie nach West-Berlin ausreisen. Er arbeitete für Krupp, später studierte er Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Als Generalsekretär und Innenexperte der CDU-Fraktion hatte Henkel mit seinem Eintreten für Sicherheit und Ordnung vor allem die konservative Klientel bedient. Als Parteichef gibt er sich deutlich liberaler, betont neben der inneren auch die soziale Sicherheit.

Wowereit und Henkel haben Gemeinsamkeiten: ihre joviale Art, das Berlinern, die nicht nur demonstrative Nähe zu den sogenannten kleinen Leuten. Aber Wowereit trennt auch eine Menge von der CDU. Ein Bündnis mit den Konservativen will nicht passen zu einem, der 2001 über Nacht bekanntwurde, als er sagte: "Ich bin schwul, und das ist auch gut so." Spannende Zeiten in der Hauptstadt.