Eine bessere Leit- und Steuerunngstechnik im S-Bahn-Tunnel – das streben die potenziellen Koalitionäre von Grün und Schwarz in einem internen Papier der Arbeitsgruppe Verkehr an. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Eine mögliche grün-schwarze Landesregierung will Stadt und Region Stuttgart zu einem Modell für künftige Mobilität machen. Das geht aus einem internen Papier aus den Koalitionsgesprächen hervor.

Stuttgart - Die Koalitionsverhandlungen zwischen Grünen und CDU für eine neue Landesregierung biegen auf die Zielgerade ein. Abseits der großen Streitthemen haben die Koalitionäre in spe in den Arbeitsgruppen oft auch Übereinstimmung erzielt – dazu gehört wohl, sieht man einmal von Stuttgart 21 ab, auch die Verkehrspolitik. Diesen Schluss legt ein Papier nahe, das im Arbeitskreis Verkehr von Grünen und CDU erarbeitet worden ist und das dieser Zeitung in Teilen vorliegt. Daraus wird deutlich, dass die neue Landesregierung eine „Zukunftsoffensive Öffentlicher Verkehr“ starten will mit dem Ziel, die Fahrgastzahlen in Bussen und Bahnen bis 2030 deutlich auszubauen – und das nicht nur in den Ballungsräumen, sondern auch in der Fläche.

Dabei kommen der Stadt und der Region Stuttgart offenbar eine Schlüsselrolle zu. „Die Region Stuttgart wollen wir (das Land, d. Red.) gemeinsam mit dem Verband Region Stuttgart als Modell für eine funktionsfähige und nachhaltige Mobilitätsregion weiterentwickeln“, heißt es in dem Papier. Zwar werden keine konkreten Projekte und schon gar nicht deren Finanzierung genannt, doch die Koalitionäre bekennen sich zu einem „weiteren Ausbau des ÖPNV, Kapazitätserweiterungen bei S-Bahn, Stadtbahn und Bussen“ sowie zum Ziel einer „Verflüssigung des Verkehrs durch Verkehrsmanagement und Engpassbeseitigung auf Straße und Schiene“. Das vom grünen Verkehrsminister Winfried Hermann angestoßene Konzept mit Metropolexpresszügen, die außerhalb des VVS wie eine S-Bahn an vielen Haltestellen halten, in der Region aber möglichst rasch nach Stuttgart fahren sollen, werde weiter ausgebaut.

Neue Signaltechnik für S-Bahn in Stuttgart gefordert

Zur Lage der S-Bahn in der Region Stuttgart, die durch die überlastete, von allen sieben Linien befahrene unterirdische Stammstrecke zwischen Hauptbahnhof und Schwabstraße geprägt ist, will das Land „auf die Einführung von ETCS drängen“. Mit dieser modernen Leit- und Steuerungstechnik(European-Train-Control-System) könnten die S-Bahnen in kürzerer Abfolge durch die Stammstrecke fahren und so könnte deren Kapazität erhöht und gleichzeitig die Gefahr von Verspätungen und Zugausfällen verringert werden. Gebaut werden müsste dies wohl von der Bahn, die eine Untersuchung Mitte des Jahres vorstellen will. Die Kosten lägen bei rund 50 Millionen Euro. Eine Realisierung sei bis Ende des Jahres 2021 möglich, erklärte der Verkehrswissenschaftler Professor Ullrich Martin von der Universität Stuttgart vor einem Jahr, als er eine im Auftrag des Bahntechnikunternehmens Thales erstellte Studie präsentierte.

Ziel der Verkehrspolitiker von Grünen und CDU ist es, bis zum Jahr 2025 im öffentlichen Verkehr landesweit einen verlässlichen Stundentakt von frühmorgens bis spätabends einzuführen – wozu auch der Einsatz von Ruf- und Sammeltaxen beitragen soll. Bis zum Jahr 2021 sollen digitale Mobilitätsangebote wie E-Ticketing (Kauf von Fahrkarten mit dem Smartphone), Echtzeitinformation (Angaben der tatsächlichen An- und Abfahrtszeiten von Bussen und Bahnen) und Anschlusssicherungssysteme (der Busfahrer erfährt, ob und wie lange er auf die Bahn warten muss) flächenhaft eingesetzt werden. Erste derartige Erprobungen gibt es bereits beim VVS. Das Land will dafür ein mit zehn Millionen Euro jährlich ausgestattetes Sonderprogramm auflegen.

Auch in anderen Bereichen wird ein finanzieller Rahmen genannt, der aber – so die Sprachregelung der Koalitionäre – unter Finanzierungsvorbehalt steht und erst in den Schlussrunden festgezurrt werden soll. Das Land will die kommunalen Verkehrsbetriebe wieder beim Kauf von Schienenfahrzeugen unterstützen – ein Sonderprogramm soll 30 Millionen Euro jährlich umfassen. Ein weiteres Sonderprogramm – 20 Millionen Euro pro Jahr – soll die Kommunen dabei unterstützen, den ÖPNV barrierefrei auszubauen. Zehn Millionen jährlich sollen Regiobuslinien erhalten, die von kleineren Städten aus mit hochwertigen Fahrzeugen zum nächsten Bahnhalt fahren und somit einen Anschluss ans Schienennetz garantieren. Um fünf Millionen Euro jährlich soll das Programm für den Kauf von Linienbussen aufgestockt werden, weitere fünf Millionen Euro sollen für Busse mit innovativem Antrieb zur Verfügung gestellt werden.

Zusammen mit der Bahn und den Kommunen will das Land ein Bahnhofsmodernisierungsprogramm starten, mit dem Stationen nicht nur barrierefrei umgebaut, sondern auch zu Mobilitätsdrehscheiben ausgebaut werden sollen. Dazu zählen nicht nur Umsteigemöglichkeiten zum Bus, sondern auch die Verknüpfung mit dem Rad- und Autoverkehr – etwa durch sichere Abstellanlagen und E-Bike-Ladestationen, Park+Ride-Plätze sowie Car-Sharing-Angebote.

Grün-schwarz setzt auf Modellprojekte der Region Stuttgart

Auch hier setzen die Verkehrspolitiker auf Initiativen, die bereits – wenn auch in kleinem Rahmen – in der Region Stuttgart erprobt worden sind oder momentan entwickelt werden. Diese Modelle sollen in den nächsten Jahren ausgebaut werden. „Wir wollen uns aktiv an der Bündelung aller Themen einer nachhaltigen und vernetzten Mobilität in der Region Stuttgart im Rahmen eines Netzwerks durch den Verband Region Stuttgart als Aufgabenträger, die Landeshauptstadt Stuttgart und andere Städte und Gemeinden der Region sowie weitere Partner beteiligen“, heißt es dazu in dem internen Papier. Damit wird der ÖPNV-Pakt zwischen Land, Region, Kreisen und Stadt Stuttgart weitergeführt. Er soll in eine Mobilitätsagentur für die Region Stuttgart münden – und beispielhaft sein für andere Regionen und große Städte im Land. Diese Erkenntnisse sollen in „passgenaue Mobilitätsangebote für den ländlichen Raum“ umgesetzt werden.

Die neue Landesregierung bekennt sich zudem zur Kofinanzierung beim Stadtbahnausbau – ohne allerdings konkrete Zahlen zu nennen. Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne), der nach eigenem Bekunden „bei diesem Thema sehr intensiv unterwegs ist“, hatte von den potenziellen Koalitionären einen Fördertopf in Höhe von 250 Millionen Euro verlangt, aus dem das Land den Kauf von Stadtbahnen und Bussen für die Nahverkehre in Stuttgart, Karlsruhe, Manheim, Freiburg und Ulm bezuschussen soll. Ob diese Zielmarke mit den in dem Papier genannten Förderprogrammen erreicht würde, ist zumindest zweifelhaft – allerdings ist es in manchen Bereichen auch unkonkret. Dennoch findet sich Kuhns Einfluss, der immer wieder auf ein größeres Engagement des Landes für den Nahverkehr im Ballungsraum drängt, wohl in mancher Formulierung – wie auch der von Regionalpräsident Thomas Bopp, der als Mitglied des CDU-Landesvorstands an den Sitzungen der Koalitionsarbeitsgruppe Verkehr teilnahm.