Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (links) und der bisherige Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Alexander Bonde – wird Bonde ins Staatsministerium wechseln? Foto: dpa

Wirtschaft oder Finanzen? Umwelt oder Verkehr? Grüne und CDU feilschen bereits heftig um die Ressortverteilung. Doch was nützt ein Ministerium, wenn es kaum Kompetenzen hat?

Stuttgart - Der Basar ist eröffnet: Koalitionsverhandlungen sind ein Geben und Nehmen – auch bei Posten und Zuständigkeiten. Da mögen die Verhandlungsführer mahnen, solche Fragen erst am Schluss zu stellen: In der Truppe wird trotzdem gefeilscht. „Wir brauchen unbedingt den ländlichen Raum“, sagen die einen. „Die Grünen und Justiz, das geht gar nicht“, maulen die anderen.

Dabei müssten doch alle gewarnt sein. Ein „Superministerium“ hatte SPD-Landeschef Nils Schmid sich 2011 unter den Nagel gerissen: Finanzen und Wirtschaft samt Wohnungsbau. Hat es ihm genutzt? Oder hat ein Grünen-Ressortchef Breitenwirkung entfaltet? In ihrer Gestaltungsmöglichkeit sind Landesminister (mit wenigen Ausnahmen) beschränkt. Und der Normalbürger kennt sie kaum. Trotzdem stecken Grüne und CDU ihre Claims ab. Denn es geht auch um Existenzen.

Thomas Strobl (CDU) etwa will Stellvertreter von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) werden. Dass er sich dafür das Innenministerium aussucht, gilt als wahrscheinlich, denn Sicherheit ist eine Kernkompetenz der CDU. Doch welches Innenministerium? Eines von üppigem Zuschnitt samt Wohnungs-, Städtebau und Infrastruktur, wie es noch CDU-Minister Herbert Rech führte? Als sicher gilt, dass Strobls Ressort aufgefüttert wird – etwa mit dem Thema Integration, was sinnvoll wäre, denn dann befänden sich Ausländer- und Integrationsfragen unter einem Dach.

Umstritten ist das Verkehrsressort

Einen solchen Markenkern führen auch die Grünen ins Feld: den Umwelt-, Klima- und Naturschutz. „Das werden wir uns nicht nehmen lassen, denn es spiegelt unsere Grundwerte wider“, sagt ein Grünen-Abgeordneter. Außerdem ist dieses Terrain – sprich die Ministerien für Umwelt und ländlichen Raum – von den Grünen bereits besetzt. Doch was bedeutet ländlicher Raum? Ein reines Bauernministerium will heutzutage niemand mehr, Maßstab ist vielmehr das „magische Dreieck“ von Tourismus, Landwirtschaft und Naturschutz – ein Ressort, wie es derzeit Alexander Bonde führt. Das aber ist auch für die CDU reizvoll, denn so zeigt man Präsenz draußen auf dem Land – dort, wo Grüne und CDU im selben Wählerteich fischen. „Dieses Haus brauchen wir wieder“, sagen viele bei der CDU – wobei als Führungskräfte Ex-Minister Peter Hauk und Ex-Staatssekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch bereit stünden. Und Bonde? Ihm werden Ambitionen auf die Kretschmann-Nachfolge nachgesagt. Die einen sehen ihn deshalb als Minister im Staatsministerium, die anderen als Finanzminister – er war schließlich Haushaltsexperte im Bundestag.

Ähnlich umstritten ist das Verkehrsressort. Dass Winfried Hermann (Grüne) ein Zugriffsrecht beansprucht, gilt als sicher. Dass er wieder Minister wird, bezweifelt niemand, denn er steht als Parteilinker quasi unter Artenschutz. „Verkehr gehört zum Klimaschutz, ist also grünes Terrain“, sagt ein Abgeordneter. Doch die CDU wird den Verkehr als Teil ihrer Wirtschaftskompetenz betrachten. Nicole Razavi stünde gewiss als Ressortchefin zur Verfügung. Und die Wirtschaft? Dass die Finanzen wieder davon getrennt werden, gilt als ausgemacht. Und niemand bestreitet, dass die Ökonomie als Kernkompetenz der CDU gilt. Doch hat nicht Kretschmann gezeigt, dass Wirtschaftsminister neben ihm zum Grüß-Gott-August schrumpfen? Das ist der Grund, warum so mancher CDU-Grande derzeit mit sich hadert, ob er zugreifen soll. Der Bundestagsabgeordnete Thomas Bareiß etwa, der den südwürttembergischen CDU-Bezirk führt. Aber auch Fraktionschef Guido Wolf wird gehandelt. Oder hatte Strobl mit dem „wichtigen Ministerium“, das er sich für Wolf erhofft, das Justizressort gemeint? Aufgefüttert mit Bund und Europa?

Wer wird das Kultusministerium führen?

Vielleicht will Wolf ja lieber Fraktionschef bleiben. Dann könnte er sich freier entfalten und wäre eine Art Gegenpol zu Strobl in der Regierung. Ein solcher Dualismus wäre in der Landes-CDU nichts Neues: Zuletzt gab es ihn zwischen Mappus und Oettinger. Doch will die Fraktion weiter mit Wolf leben? Falls er sich tatsächlich in die Kabinettsdisziplin einbinden lässt, bräuchte die Fraktion einen neuen Chef. Gehandelt werden dafür Wolfgang Reinhart (Ex-Europaminister), die Fraktionsvize Volker Schebesta und Winfried Mack sowie Willi Stächele (Ex-Finanzminister).

Noch nicht ausgemacht ist auch, wer das Kultusministerium führt. „Das muss die CDU machen“, hatte schon kurz nach der Wahl Ex-Wissenschaftsminister Peter Frankenberg postuliert. Doch jeder weiß, dass der Bereich zwar wichtig ist, aber undankbar. Der frühere Kultus-Staatssekretär Georg Wacker (CDU) hätte wohl trotzdem nichts einzuwenden, Ressortchef zu werden. „Und wir brauchen unbedingt das Sozialministerium“, sagt ein CDU-Abgeordneter. Warum? Weil die CDU sich als Partei der kleinen Leute verstehe, und weil dies ein Feld sei, um sich gegen die Grünen abzugrenzen. Die Häuser Wissenschaft und Umwelt schließlich sind mit Grünen besetzt, die bei Kretschmann ein exzellentes Standing haben: Theresia Bauer und Franz Untersteller. Unvorstellbar, dass Kretschmann ihre Ressorts beschneidet.