Die NSA/BND-Affäre wird auch in der nahen Zukunft ein Problemfall für die Koalition bleiben. Es gibt noch keine Entscheidung der Regierung darüber, ob die umstrittenen Listen mit NSA-Spionagebegriffen den zuständigen Bundestagsabgeordneten vorgelegt werden können.

Berlin - Im Koalitionsstreit über den weiteren Umgang mit der Spähaffäre um den BND und den US-Geheimdienst NSA ist nun doch keine rasche Einigung in Sicht. Eine Entscheidung über eine mögliche Offenlegung der US-Spionagelisten wird wohl nicht mehr vor Pfingsten fallen. Auch die Frage, ob ein Ermittlungsbeauftragter dafür eingesetzt wird, ist demnach zwischen Union und SPD noch nicht entschieden. Die Opposition reagierte mit scharfer Kritik auf die weitere Verzögerung. Die Einsetzung eines Ermittlungsbeauftragten lehnen Linke und Grüne ab.

Der Bundesnachrichtendienst (BND) soll der NSA über Jahre geholfen haben, europäische Firmen und Politiker auszuspähen. Die US-Geheimdienstler schleusten demnach viele Tausend Suchbegriffe (Selektoren) beim BND ein, um so aus deren Datensammlung auch Informationen über europäische Ziele abzugreifen.

USA um Erlaubnis gefragt

Der BND hat inzwischen Listen mit mehreren Zehntausend solcher Selektoren erstellt, die der US-Geheimdienst über die Jahre absprachewidrig übermittelte. Der NSA-Untersuchungsausschuss und das Geheimdienst-Kontrollgremium des Bundestages wollen diese Listen nun einsehen. In der Koalition gibt es aber Streit über eine Offenlegung der Unterlagen. Die Regierung hat zunächst die Amerikaner um Erlaubnis gefragt.

„Das Konsultationsverfahren dauert noch an, es gibt keinen neuen Sachstand“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Die Regierung werde erst nach Abschluss der Gespräche mit den USA über die Offenlegung der NSA-Suchbegriffe befinden.

Der Grünen-Obmann im NSA-Ausschuss, Konstantin von Notz, warf der Regierung vor, sie breche ihre Zusage gegenüber dem Parlament und verschleppe die Entscheidung. „Das zeigt, dass die Aufklärung, die Angela Merkel versprochen hat, ein Medien-Gag war“, sagte er. Den Vorschlag, dass nicht die Abgeordneten selbst, sondern ein Sonderermittler Einsicht in die Listen bekommen könnte, lehnte von Notz vehement ab. Das Parlament habe ein Recht, die Akten einzusehen. „Das werden wir uns nicht durch einen Ermittlungsbeauftragten abquatschen lassen - egal wen sie nominieren.“

Gysi: "Staatsskandal"

Auch Linksfraktionschef Gregor Gysi wies die Idee eines Sonderermittlers zurück. Damit würden die Rechte des Parlaments beschnitten. „Das geht auf gar keinen Fall“, sagte Gysi. „Das Ganze ist inzwischen wirklich zu einem Staatsskandal geworden.“ Die Linke drohte erneut damit, die Einsicht in die Spähliste notfalls einzuklagen.

Der SPD-Obmann im NSA-Ausschuss, Christian Flisek, sagte, er könne kein Spiel auf Zeit der Regierung erkennen. Aber auch er erwarte eine zügige Entscheidung. „Der Ball liegt beim Kanzleramt.“ SPD-Fraktionsgeschäftsführerin Christine Lambrecht sagte, es sei Zeit, dass die Regierung einen Vorschlag auf den Tisch lege.

Flisek und die Unions-Obfrau im NSA-Ausschuss, Nina Warken, bezeichneten die Ernennung eines Ermittlungsbeauftragten als „gangbaren Weg“.

Der NSA-Ausschuss wollte am Mittwochnachmittag mehrere BND-Mitarbeiter zu den Spähvorwürfen befragen. Am Donnerstag müssen BND-Präsident Gerhard Schindler und ein BND-Abteilungsleiter in dem Gremium Rede und Antwort stehen. Ob es am Freitag zu einer weiteren Sondersitzung kommt, wie die Opposition es will, ist noch offen.