Ratlose Gesichter: Thomas Strobl und Winfried Kretschmann (Bildmitte) vertagen sich in Sachen Dieselfahrverbot. Die Frist läuft am Montag um 23.59 Uhr ab. Foto: Lichtgut - Oliver Willikonsky

Was CDU und Grüne aufführen, ist nicht nur blamabel für sie selbst. Die Regierung schadet massiv dem Ziel, eine Blaue Plakette einzuführen, meint Lokalchef Holger Gayer.

Stuttgart - Es ist ein schauderhaftes Spiel um juristische Feinheiten, das Politiker von Grün und Schwarz in Sachen Dieselfahrverbot aufführen – und nun sogar in einen Koalitionskrach münden lassen. Nachdem Experten beider Regierungsparteien zunächst empfohlen hatten, Berufung gegen das Urteil des Stuttgarter Verwaltungsgerichts einzulegen, hieß es Mitte der Woche plötzlich, man wähle lieber die sogenannte Sprungrevision, um final zu klären, ob ältere und schmutzigere Diesel künftig noch in Stuttgart fahren dürfen. Das gehe schneller und sei überdies ein wunderbarer Kompromiss zwischen den ursprünglichen Forderungen der Koalitionäre nach Berufung (CDU) und Annahme des Fahrverbots zum Stichtag 1. Januar 2018 (Grüne).

Und nun? Stehen die Bürgerinnen und Bürger in Stuttgart erneut ohne Hemd und Hose da, weil die ziemlich besten Freunde in der Landesregierung auch nach wochenlangem Vorlauf nicht in der Lage sind, sich in einer elementaren Frage auf einen Weg zu einigen. Das ist nicht nur blamabel für die in der Landesregierung handelnden Personen. Es ist auch eine fatale Botschaft nach Berlin: Seht her, wir Grünen und Christdemokraten schaffen es schon in Stuttgart nicht, auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen; viele Grüße und viel Spaß bei den Jamaika-Verhandlungen, wenn dann auch noch FDP und CSU am Tisch sitzen.

Wie zwei Kinder, die sich ums Förmchen streiten

Dabei hätte von Stuttgart ein ganz anderes Signal ausgehen müssen. Egal, ob Berufung oder Sprungrevision, die Koalitionäre hätten mit einer Entscheidung am Freitag Zeit gewonnen, um das wirklich wesentliche Ziel ins Visier zu nehmen: die Einführung der Blauen Plakette. Grüne und Schwarze wissen längst, dass man nur mit ihr das Problem lösen kann. Der blaue Kleber würde auf dem bisherigen System, das die Autos nach Schadstoffklassen einteilt, aufsetzen und damit rechtssicher klären, wer weiterfahren darf. Dass Noch-Bundesminister Dobrindt von der CSU dies bisher verhindert hat, ist eine verkehrspolitische Geisterfahrt, die beendet werden muss. Doch zwei Kinder, die ums Förmchen im Sandkasten streiten, sind kaum in der Lage, den Onkel in Berlin von ihren Ideen zu überzeugen.

Immerhin: wenn sie bis Montagabend um 23.59 Uhr immer noch nicht wissen, was sie wollen, dann steht wenigstens eines fest: Fahrverbote ab 1. Januar 2018. Aber die wird dann ja niemand gewollt haben.