Immer mehr Rentner realisieren die Nachteile einer alten Gesetzesänderung: die doppelte Belastung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen bei der betrieblichen Altersvorsorge. Die Koalition versucht den Unmut mit einem Kompromiss zu bremsen.
Stuttgart - Der lange Kampf der Betriebsrentner, die auf ihre betriebliche Altersversorgung doppelte Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung (Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil) zahlen müssen und immer deutlicher dagegen angegangen sind, ist vorbei. Die Koalition hat den Streit mit einem Kompromiss vorerst ausgeräumt.
Auf Druck der Basis hatte es in CDU und SPD verstärkt Debatten über eine Reduzierung der 2004 eingeführten Doppelbelastungen gegeben – doch haben die CDU-Kanzlerin und der SPD-Bundesfinanzminister teurere Lösungen blockiert. Nun wird die bisherige Freigrenze für Versorgungsbezüge von 155,75 Euro in einen Freibetrag umgewandelt; darüber bleibt es beim vollen Satz der Sozialversicherungsbeiträge von etwa 18 Prozent. Entlastet wird dadurch vor allem die kleine Altersvorsorge.
IG-Metall-Seniorenvertreter ist etwas enttäuscht
Die sogenannte „Doppelverbeitragung“ ist für Millionen Betriebsrentner ein Daueraufreger, zumal auch die Direktversicherungen davon tangiert sind. Harald Kalmbach, Vorsitzender des Ortsseniorenausschusses der IG Metall Stuttgart, vertritt einige tausend von ihnen, weil in dieser Region besonders viele (gute) Betriebsrenten gezahlt werden. „Das ist ein Durchbruch, aber kein Grund zum Jubeln“, sagt er. „Es reicht nicht aus.“ Für den durchschnittlichen Betriebsrentner errechnet er eine Ersparnis von ungefähr 130 Euro im Jahr. Weitere Verbesserungen dürften auf absehbare Zeit nicht möglich sein. „Jetzt ist die Luft erst mal raus“, sagt Kalmbach etwas enttäuscht.
Der Gewerkschaftsbund hingegen begrüßt die Verbesserungen. Mit der Umwandlung der Freigrenze in einen Freibetrag werde für 60 Prozent der Betriebsrentner künftig höchstens noch der halbe Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung fällig und auch die restlichen 40 Prozent würden spürbar entlastet werden. „Die Verdopplung des Förderbetrags für Geringverdiener in der betrieblichen Altersversorgung ist geeignet, die Verbreitung von Betriebsrenten gerade in diesem Sektor zu befördern und entspricht damit einer von den Gewerkschaften geforderten Verbesserung für diejenigen, die weniger als 2200 Euro im Monat verdienen“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach unserer Zeitung.
Jährliche Beitragsausfälle von über 1,4 Milliarden Euro
Die Umwandlung belastet die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) in Milliardenhöhe, wobei das Geld aus den Rücklagen des Gesundheitsfonds kommen soll. Ein Sprecher des GKV-Spitzenverbandes betont: „Das politische Ziel der Förderung der betrieblichen Alterssicherung teilen wir – allerdings fehlt die Gegenfinanzierung aus Steuermitteln, denn die Entlastung der Betriebsrentner soll nun alleine von den Beitragszahlern der gesetzlichen Krankenversicherung bezahlt werden.“ Jahr für Jahr führe dies bei den Krankenkassen zu Beitragsausfällen von über 1,4 Milliarden Euro, von denen lediglich am Anfang ein Bruchteil gegenfinanziert werde.