Experten warnen Grün-Rot vor Aufgabe der Eigenständigkeit des Justizministeriums.

Stuttgart - Die Koalitionsverhandlungen zwischen Grünen und SPD gehen auf die Zielgeraden. Mittwoch dreht sich alles um das Streitthema Stuttgart 21. In den nächsten Tagen wird es dann um den Zuschnitt der Ministerien und das Personal gehen.

Derzeit besteht die Landesregierung aus zehn Ministerien und den beiden Landesvertretungen in Berlin und Brüssel. An den beiden letzteren Einrichtungen dürfte sich wohl auch nach dem Wechsel von Schwarz-Gelb zu Grün-Rot nichts ändern. Was aber aus den einzelnen Ministerien mit dem Regierungswechsel am 12. Mai wird, ist derzeit gänzlich offen. Über die Strukturen und das Personal werde zu allerletzt gesprochen, hatten die Spitzen von Grünen und SPD schon kurz nach der Landtagswahl angekündigt, als sie sich erstmals zu Bündnisgesprächen trafen.

Nun, drei Wochen danach, nähern sich die Verhandlungen dem Ende. Und seit Tagen mehren sich die Spekulationen, wie die künftige Landesregierung aussieht - personell wie strukturell. Mancher mutmaßt,e s könnte eine Art Infrastrukturministerium mit den Bereichen Wirtschaft und Verkehr geben. Andere Stimmen sagen, Grün-Rot werde die Ressorts Umwelt und Landwirtschaft zusammenlegen. Und wieder andere schließen nicht aus, dass Kultus und Wissenschaft zusammengelegt werden. Aus dem Umfeld des designierten Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) verlautet hingegen, an den Strukturen werde sich nicht viel ändern.

Lösung im Saarland

Zumindest an einer Stelle wächst offenbar die Nervosität. Juristen, Richter und Staatsanwälte haben am Dienstag davor gewarnt, das eigenständige Justizministerium - bisher in FDP-Hand - aufzugeben und diesen Bereich einem anderen Ministerium anzugliedern. "Das wäre unakzeptabel", sagte Matthias Grewe, Vorsitzender des Vereins der Richter und Staatsanwälte in Baden-Württemberg, gegenüber unserer Zeitung.

Allein, eine solche Lösung ist quasi in der Nachbarschaft zu finden. Im Saarland, wo ein Bündnis aus CDU, FDP und Grünen regiert, wurde das Justizministerium der Regierungszentrale zugeschlagen. Die Folge: Ministerpräsident Peter Müller (CDU) ist dort zugleich auch Justizminister. Nicht umsonst halten sich seit Tagen hartnäckig die Gerüchte, dass Grün-Rot eine ähnliche Konstruktion auch in Baden-Württemberg erwäge - bis hin zu einer möglichen Zusammenlegung der Ressorts Inneres und Justiz. Grewe warnt vor einem solchen Schritt. "Das hat etwas mit dem Prinzip der Gewaltenteilung zu tun. Die Trennung dieser beiden Bereiche ist wichtig und sollte unbedingt beibehalten werden." Es dürfe nicht sein, dass die Gerichte quasi "unter der Obhut der Ermittlungsbehörden stehen".

Ähnlich äußert sich der Landesarbeitskreis christlich demokratischer Juristen. "Das Justizressort darf nicht zur beliebigen Verfügungsmasse der Koalitionsspiele von Grün-Rot werden", warnte der Landesvorsitzende der Vereinigung, Jürgen Graf, am Dienstag in einer Mitteilung. Es gebe "ernst zu nehmende Hinweise aus den aktuellen Koalitionsverhandlungen", so Graf, dass die künftige Landesregierung die Aufgabe des eigenständigen Justizministeriums prüfe. Man fordere die Koalitionäre deshalb "nachdrücklich auf, weder aus Kosten- noch aus anderen Gründen die Selbstständigkeit" des Rechtsressorts aufzugeben. Denn die Funktion des Justizministers gehe "deutlich über die Wahrnehmung der Belange von Richtern, Staatsanwälten, Notaren und Strafvollzug hinaus. Der Justizminister habe auch "die wichtige Aufgabe der Verfassungs- und Rechtskontrolle innerhalb der Regierung", betonte Graf.

Er erinnerte in diesem Zusammenhang an die Vorgänge in der Vergangenheit, als der nordrhein-westfälische Verfassungsgerichtshof der damaligen rot-grünen Landesregierung in Düsseldorf "einen Riegel vorgeschoben" habe, das Justiz- und das Innenministerium zusammenzulegen. Das Gericht habe damals betont, dass es bundesweit einen "als selbstverständlich empfundenen verfassungspolitischen Grundkonsens" gebe, wonach "ein eigenständiges Justizministerium Garant für die Unabhängigkeit der dritten Gewalt ist". Daran sollte sich Grün-Rot erinnern, so Graf.