Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher am Wahlabend: Erfreut sieht anders aus. Foto: dpa

In Südtirol ist die christlich-konservative Volkspartei notgedrungen mit der rechtspopulistischen Lega eine Koalition eingegangen. Für Landeshauptmann Arno Kompatscher ist das ein Drahtseilakt, wie er offen schildert.

München - Vergangene Woche war Arno Kompatscher noch Ehrengast bei der CSU. „Sehr viele Fragen“, sagt der Südtiroler Landeshauptmann, habe man ihm dort gestellt – und das auch noch zu einem Thema, „unter dem ich besonders leide“. Die CSU will ja neuerdings alle populistischen, europafeindlichen Bewegungen bekämpfen. Und Arno Kompatscher von der Südtiroler Volkspartei, die genauso christlich-konservativ ausgerichtet ist und wie die CSU der Europäischen Volkspartei angehört, hat nun ein Bündnis mit einer besonderen Spezies von Populisten geschlossen: Mit der rechten Lega des rabiaten italienischen Innenministers Matteo Salvini.

Ausländerfeindlich, dazu noch europa- und euro-feindlich – und auf dem Vormarsch: Um die 33 Prozent bekäme die Lega, wenn heute Wahlen wären in Italien. Diesen Freitag soll Kompatschers Koalitionsregierung vom Südtiroler Landtag bestätigt werden und die Lega ruft mit dem Vordringen in primär deutschsprachiges Gebiet den „Beginn einer neuen Ära“ aus.

Wenn die Partner wegbröseln

Kompatscher wiederum sagt, er habe „Bauchschmerzen“ seit jenem unglücklichen Wahlabend im Oktober. Damals hatte die Südtiroler Volkspartei (SVP), die die Provinz seit 1948 durchgehend regiert, ihr historisch schlechtestes Resultat erzielt: von 45,7 war sie auf 41,9 Prozent gefallen. Noch folgenreicher aber waren zwei weitere Ergebnisse: Zum einen verlor die SVP ihren bisherigen, bequemen Koalitionspartner, den sozialdemokratischen Partito Democratico, die einstige Regierungspartei, die derzeit in ganz Italien zerbröselt.

Zum anderen fand Kompatscher auch auf der konservativen Seite keine Partei mehr, mit welcher er hätte regieren können. Silvio Berlusconis Forza Italia kam gar nicht mehr in den Landtag. Und weil Kompatscher nicht mit den deutschsprachigen Ultrarechten koalieren wollte, blieb ihm nur noch Salvinis Lega: Sie hatte aus dem Stand 11,1 Prozent und vier Mandate errungen. Ein Pakt mit ihr, sagt Kompatscher, sei schon deshalb „praktisch vorgegeben“ gewesen, weil die Lega bei den italienischsprachigen Südtirolern mit mehr als 25 Prozent stärkste Partei geworden ist, und weil eine Südtiroler Regierung nach dem Autonomiestatut auch die Italienischsprachigen einbinden muss.

Ausgrenzen oder einbinden?

Aber wie zähmt man die hetzerische Lega? Wie führt man als hundertprozentig pro-europäische SVP einen glaubwürdigen Europawahlkampf, wenn man sich mit Europafeinden verbandelt? Es gibt, sagt Kompatscher, praktisch zwei Möglichkeiten: „Die einfachere Lösung heißt ausgrenzen, sich abgrenzen. Aber es ist die Frage, ob sie die erfolgreichere ist.“ Die Alternative heißt: einbinden. Auch um die rechtspopulistisch üblichen „Opfermythen“ zu vermeiden, „nach denen das Establishment die Stimme des Bürgers nicht hört“.

Kompatscher hat zudem den „Wertekatalog der SVP“ in der Präambel des Koalitionsvertrags festgeschrieben – so akribisch wie noch nie . Vorsichtshalber. „Wenn wir diese Basis verlassen, wird es keine weitere Zusammenarbeit geben.“ Da steht – ohne irgendein Aber – das Bekenntnis zum europäischen Einigungsprozess und zum Euro. Da steht ein Verbot „jeglicher Form von Ausgrenzung“ und die Selbstverpflichtung für eine „Gesellschaft der Toleranz und der Offenheit.“

Mit der Lega und gegen sie

Und es ist von der „aktiven Teilhabe aller im Lande lebenden Menschen an der positiven Entwicklung des Landes“ die Rede – zur selben Zeit übrigens, in der Lega-Chef Salvini mit einem nach ihm benannten Gesetz weit mehr als hunderttausend aus humanitären Gründen Geduldeten die Rechte nimmt, die sie bisher hatten. In Italien rebellieren viele Regionalpolitiker, Bürgermeister und Bischöfe gegen die „Legge Salvini“. Kompatscher rebelliert nicht. Er sagt aber, er habe im persönlichen Gespräch von Salvini Änderungen an diesem „rechtlich und humanitär bedenklichen Gesetz“ eingefordert und werde sich von weiterer Kritik auch nicht durch seine Koalition mit just dieser Lega abhalten lassen.

In den Europawahlkampf ziehen will Kompatscher nicht mit der Lega: „Das wäre ja absurd.“ Er schließt sich lieber an die CDU/CSU an und an die österreichische ÖVP. In Italien selber sind ihm mit dem Zerbröseln der klassischen Parteien die Partner abhanden gekommen. Es bleiben da nur die letzten Splitter von Berlusconis Forza Italia und der einstigen Christdemokratie.

Die neue Südtiroler Regierung besteht aus sieben SVP- und zwei Lega-Politikern; im Landtag stützt sie sich auf 15 SVP- und vier Lega-Mandate. Inhaltlich, so meint der Österreichische Rundfunk, habe sich „die Lega der SVP gebeugt“. Aber es gibt auch in der Bozener Koalition Leute, die Angst haben, mit einem weiteren Anschwellen der Lega in Italien könnte auch in Südtirol die Dämme brechen. Kompatscher stellt sich als „Garant“ dar, dass dies nicht passiert. In der Nachbarprovinz Trient aber stellt die Lega nach den Wahlen im Oktober bereits den Landeshauptmann.