Die bundesweit erste grün-schwarze Landesregierung im Südwesten regiert seit hundert Tagen. Die Bilanz fällt nüchtern aus. Foto: dpa

Grüne und CDU lieben sich nicht, aber sie versuchen, sich zu respektieren: Die bundesweit erste grün-schwarze Landesregierung im Südwesten regiert seit hundert Tagen. Die Bilanz fällt nüchtern aus.

Stuttgart - Vernunftehe und Verabredung auf Zeit: Als die bundesweit erste grün-schwarze Landesregierung vor hundert Tagen in Baden-Württemberg an den Start ging, hüteten sich die Akteure vor allzu viel Euphorie. Keiner hatte schließlich dieses Bündnis gewollt, doch am Ende blieb Grünen und CDU nichts anderes übrig, als sich zusammen zu raufen - mit der CDU in der ungewohnten Rolle des Juniorpartners. Auch nach der ersten gemeinsamen Wegstrecke bleiben die Bewertungen auf beiden Seiten nüchtern. Eine gemeinsame Bilanz-Pressekonferenz wird es - anders als 2011 nach hundert Tagen Grün-Rot - nicht geben.

„Wir sind noch in der Gewöhnungs- und Aufwärmphase, aber es wächst bereits Vertrauen“, kommentierte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) kürzlich zurückhaltend den Zustand der Regierungskoalition. Er hebt die schnellen Hilfen zur Beseitigung von Hochwasserschäden, die Aufstellung eines Nachtragsetats und die Einigung auf Eckpunkte für den Haushalt 2017 hervor. Zudem schnürte Grün-Schwarz ein neues Anti-Terror-Paket mit einem Volumen von 4,6 Millionen Euro und 30 neuen Stellen. Das schreibt sich vor allem die CDU mit Vize-Regierungschef und Innenminister Thomas Strobl auf die Fahnen, die versucht, ihren Markenkern innere Sicherheit zu puschen.

Nebenabreden zum Koalitionsvertrag

Ein schlechtes Licht auf den Regierungsstart werfen aber Nebenabreden zum Koalitionsvertrag, die geheim waren und dann öffentlich wurden. Darin wurden millionenschwere Projekte vereinbart, die laut Papier nicht unter Haushaltsvorbehalt stehen sollten. Kretschmann beeilte sich klarzustellen, dass der Haushaltsvorbehalt für sie sehr wohl gelte. Sowohl Grüne als auch CDU verteidigten die Nebenabreden als Weg, um spätere Streitereien ums Geld zu vermeiden. Doch vor allem für Kretschmann war dieser Vorgang sehr unschön, tritt doch gerade er mit seinen Grünen für Transparenz und Glaubwürdigkeit ein.

Für die Opposition aus SPD und FDP sind die Nebenabreden ein Beweis dafür, dass sich die Koalitionäre nicht über den Weg trauen. Dazu passt die Tatsache, dass sich der grün-schwarze Koalitionsausschuss mindestens alle zwei Wochen und damit deutlich häufiger als unter Grün-Rot trifft. FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke spricht insgesamt von einem Fehlstart. SPD-Fraktionschef Andreas Stoch ist überzeugt davon, dass die neue Landesregierung keine fünf Jahre hält.

„Ich gehe davon aus, dass die CDU keinen Tag länger als notwendig darauf verzichtet, den Ministerpräsidenten zu stellen“, meint Stoch. Während sich die Grünen geschlossen um Kretschmann scharen, spricht die CDU mit vielen Stimmen. CDU-Regierungsvize Strobl gilt als jemand, der nach einer langen politischen Zeit in Berlin von der selbstbewussten CDU-Landtagsfraktion noch nicht richtig akzeptiert wird. Versuchen Kräfte aus der CDU-Fraktion, das Bündnis zu sprengen, sobald die CDU in den Umfragen vor den Grünen liegt? Stoch hält das für möglich, auch wenn CDU-Politiker das natürlich abstreiten.

Geräuschlose Vernunftehe

Der Leiter der Landeszentrale für politische Bildung in Freiburg, Michael Wehner, bescheinigt Grünen und Schwarzen, eine „sehr geräuschlose Vernunftehe im Stil einer großen Koalition“ zu führen. Man regiere effizient und in dem Bemühen, Unterschiede zwischen den Partnern auszuklammern. Spannend werde tatsächlich, ob die CDU irgendwann ein wahltaktisches Manöver wittere. Doch Wehner gibt zu bedenken: „Koalitionsbrüche sind bei Wählern nicht sehr beliebt.“

Jedenfalls dürften einige Nagelproben auf Grün-Schwarz zukommen. Nach der parlamentarischen Sommerpause wollen die Koalitionäre den Haushalt für 2017 festzurren. Die CDU hat im Landtagswahlkampf viel versprochen - finanzieren lässt sich aber bei weitem nicht alles. Und auch die innere Sicherheit wird das Kabinett weiter beschäftigen. Die Frage ist hier, wie weit die Grünen bereit sind zu gehen - in einem Feld, das sie früher überwiegend kritisch betrachtet haben.