Mehr als 20.000 Bons in knapp drei Wochen: Der FDP-Abgeordnete Erik Schweickert und der Bäcker Martin Reinhardt in Reinhardts Bäckerei in Knittlingen bei Pforzheim. Foto: privat

Seit Jahresbeginn müssen Bäcker Kassenbons zur Verfügung stellen. Ein Knittlinger Bäcker hat knapp drei Wochen lang gesammelt. Der FDP-Abgeordnete Erik Schweickert will die Säcke ins Landesparlament bringen – zusammen mit einer Forderung.

Stuttgart - 17 Arbeitstage lang hat Martin Reinhardt Kassenbons gesammelt. Rund 20.500 Belege fielen in dieser Zeitspanne in seiner Bäckerei in Knittlingen bei Pforzheim an – die überwiegende Mehrheit für Beträge unter zehn Euro.

Nun stecken die Zettel in sechs Plastiksäcken. Erik Schweickert, FDP-Landtagsabgeordneter für Reinhardts Wahlkreis, hat die Säcke in sein Auto gepackt. Am 22. Januar tagt der Wirtschaftsausschuss des Landtags das nächste Mal. Dann will der Abgeordnete die Säcke mit in die Sitzung bringen. So wollen der Bäcker und der Politiker anschaulich machen, worunter man sich sonst nur wenig vorstellen könne. Bei dem Wort „Kassenbon“ dächten die meisten Menschen schließlich an einen sehr kleinen Zettel, sagt Bäcker Reinhardt. „Was das in der Summe bedeutet, sieht man nicht“.

Bon auf Anfrage? Nicht zulässig

Seit dem 1. Januar 2020 gilt für alle Betriebe, die eine elektronische Registrierkasse haben, eine „Bonpflicht“. Sie müssen einen Beleg ausstellen und dem Kunden zur Verfügung stellen. So steht es im „Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen“, umgangssprachlich als „Kassengesetz“ bekannt.

In der Praxis bedeutet die Vorschrift meistens: Der Bon muss ausgedruckt werden. Alternativ könnten Betriebe die Bons zwar elektronisch übertragen – zum Beispiel über eine App direkt auf die Handys der Kunden. Doch viele Läden sind dafür noch nicht ausgestattet. Wenn Bäckereien oder Cafés einen Bon nur auf Anfrage ausstellen, ist das nach der neuen Regelung generell nicht mehr zulässig, sagte eine Sprecherin des Bundesfinanzministeriums. Die Bonpflicht soll Steuerhinterziehung erschweren.

Zwei von hundert Kunden nehmen den Bon wirklich mit

Gegen dieses Ziel hat Bäcker Reinhardt nichts einzuwenden. Doch der 57-Jährige ärgert sich über die großen Mengen an bedrucktem Papier, die dabei anfallen – obwohl die Kunden die Bons gar nicht wollen. „Ich habe bei meinen Verkäuferinnen nachgefragt: Von hundert Kunden nehmen ein bis zwei den Bon tatsächlich mit“, sagt Reinhardt. 3500 bis 4000 Euro koste ihn das Papier für die Belege pro Jahr.

In einem Erlass ist zwar vorgesehen, dass Betriebe eine Befreiung von der Bonpflicht beantragen können. Bei „einem Verkauf von Waren an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen“, sei das möglich, steht in dem Erlass. Der Text gebe den Finanzbehörden vor Ort Spielraum, ob sie Ausnahmen genehmigen oder nicht, sagte eine Sprecherin des Bundesfinanzamts. Martin Reinhardt hat bereits eine Befreiung beantragt. Das Finanzamt antwortete laut dem Bäcker, das es erst noch die weitere Entwicklung abwarten wolle, bevor es entscheide.

FDP will Bonpflicht abschaffen – oder Grenze bei zehn Euro

Einfacher wäre es allemal, wenn künftig nicht jeder Bäcker einzeln eine Ausnahmeregelung beantragen muss. Deshalb fordert der FDP-Landtagsabgeordnete Erik Schweickert eine Bundesratsinitiative, um beim Kassengesetz nachzubessern. Auf die generelle Belegausgabepflicht solle verzichtet werden, heißt es in dem Antrag, der unserer Zeitung vorliegt – und zwar mit einer Bagatellgrenze für Geschäfte bis zu zehn Euro. Der Bäcker Martin Reinhardt unterstützt die Forderung. Etwa 80 Prozent seiner Verkäufe im Backwarenbereich liegen unter zehn Euro, so der Bäcker. „Das wäre also eine starke Entlastung.“ Den Antrag will Schweickert am 22. Januar im Wirtschaftsausschuss einbringen.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz hingegen verteidigt die Kassenbon-Pflicht als Maßnahme für mehr Steuergerechtigkeit. „Die Aufregung über die Bon-Pflicht halte ich für vorgeschoben. Es geht um Umsatzsteuerbetrug in Milliardenhöhe – jedes Jahr“, sagte Scholz den Zeitungen der „Funke Mediengruppe“ Ende letzten Jahres. Manche Händler oder Gastronomen würden die vom Kunden kassierte Umsatzsteuer nicht an den Staat weitergeben. „Dafür werden Kassen manipuliert, Umsätze nicht richtig verbucht oder später wieder ausgebucht. Das kann sich unser Land nicht gefallen lassen.“