IGL-Fraktionschefin Tanja Verch fordert mehr Öffentlichkeit für die Ratssitzungen vom Neuhausener Bürgermeister Ingo Hacker. Foto: Ines Rudel

Tanja Verch und Ingo Hacker liegen in Neuhausen seit langem im Clinch. Jetzt führt der Streit um das Prozedere der Haushaltsaufstellung im Gemeinderat vors Stuttgarter Verwaltungsgericht.

Am 23. Oktober um 10 Uhr biegt ein langer Streit aus Neuhausen in Stuttgart in die Zielgerade ein. Vor dem Verwaltungsgericht wird an diesem Termin über die Klage verhandelt, die Tanja Verch, Fraktionsvorsitzende der Initiative Grüne Liste (IGL) im Neuhausener Gemeinderat, gegen Bürgermeister Ingo Hacker erhoben hat: ein Organstreitverfahren, wie es auf Juristisch heißt, bei dem Hacker nicht als Person, sondern als Gemeindeorgan der Beklagte ist.

 

Unter Ausschluss der Öffentlichkeit?

Im Wesentlichen, teilt Verch mit, ziele die Klage auf „die Möglichkeit der einzelnen Gemeinderäte, bei den Haushaltsberatungen Änderungsanträge zu stellen und in öffentlicher Sitzung zur Diskussion und Abstimmung zu bringen“. Verch und ihre Fraktion führen seit Langem einen Kampf gegen die Gepflogenheit, den Haushalt nicht öffentlich zu beraten und in öffentlicher Sitzung im Gesamtpaket zu beschließen. Es bestehe dann keine Möglichkeit, einzelne Haushaltspositionen vor den Ohren der Öffentlichkeit im Gremium zu diskutieren, zu ändern oder abzulehnen. Bürgermeister Hacker wiederum beruft sich auf die Zustimmung aller anderen Fraktionen zu dem Prozedere.

Dass Verch regelmäßig wider den Stachel löckt, bringt ihr ebenso regelmäßig Ordnungsrufe und Sitzungsverweise vonseiten des Bürgermeisters ein. Den Klageweg beschreitet sie seit Juli 2023, ursprünglich zusammen mit ihrem Fraktionskollegen Marco Schulz. Da er nicht mehr in den Rat gewählt wurde, ist er nicht mehr beteiligt an der Klage, die im Juli 2024 ergänzt wurde.

Klage wegen Verletzung des Rede- und Antragsrechts

Der Freiburger Rechtsanwalt Tobias Lieber, von dem sich Verch vertreten lässt, charakterisiert den Streit als „Konflikt zwischen dem Interesse der Verwaltung an schlanken, effizienten Prozessen und dem Recht einer Gemeinderätin auf öffentliche Diskussion“. Der Mehrheitsbeschluss ändert Lieber zufolge nichts an dem „Minderheitenrecht der einzelnen Räte, sich in öffentlicher Sitzung äußern und Anträge stellen zu dürfen“. Verch klagt denn auch wegen Verletzung des Rede- und Antragsrechts sowie Redezeitbeschränkungen, die in der Vergangenheit vom Ältestenrat statt vorschriftsgemäß vom Gemeinderat abgesegnet wurden.

Bürgermeister Hacker äußert sich nicht

Hacker will sich im Hinblick auf den anhängigen Gerichtstermin nicht äußern. Auch die Freie-Wähler-Fraktionsvorsitzende Mariela Herzog teilt mit, sie könne „zu diesem Rechtsstreit nichts sagen“, ebenso Gemeinderatsneuling Nadine Korany (FDP). In der CDU-Fraktion rufe die Klage „Kopfschütteln“ hervor, sagt der Fraktionschef Dominik Morár und bekennt sich zur nicht öffentlichen Vorberatung, da sie „eine konstruktive und sachliche Auseinandersetzung“ erlaube. Durch die Klage leide das „Ansehen der Gemeinde“, die „Zusammenarbeit im Gremium“ werde behindert, und „es entstehen beträchtliche Kosten für die Kommune“. Unabhängig vom Ausgang werde es „nur Verlierer geben“. Das sieht SPD-Fraktionschef Dietmar Rothmund genauso, räumt aber ein, die Etataufstellung könne „etwas mehr Öffentlichkeit vertragen“. Verwaltung und Gemeinderat hätten es jedoch stetig verbessert. „Wir sind optimistisch, dass das in die richtige Richtung geht.“

Rückwirkend passiert nichts

Was aber passiert, wenn das Verwaltungsgericht der Klage Recht gibt? Rückwirkend gar nichts. Das Organstreitverfahren ist ein Feststellungsverfahren, bei dem Rechtmäßigkeit festgestellt oder nicht festgestellt, aber für die Zukunft eingefordert wird.