Wie bei allen anderen Chören war auch beim Knabenchor Collegium Iuvenum gemeinsames Singen lange Zeit kaum möglich. Foto: collegium iuvenum

Mit Sebastian Kunz hat der Stuttgarter Knabenchor Collegium Iuvenum einen neuen Künstlerischen Leiter.

Um sich gut kennenzulernen, unternimmt man am besten eine gemeinsame Reise. Und die singenden Knaben vom Collegium Iuvenum hatten viele gute Gründe des Kennenlernens: Wie bei allen anderen Chören hat Corona auch hier seine Spuren hinterlassen, etwa zwei Jahre lang war gemeinsames Singen kaum möglich oder nur unter schwierigen Bedingungen per Videokonferenz. Und dann hat ausgerechnet in dieser problematischen Phase der Leiter Benjamin Hartmann nach nur kurzer Tätigkeit die Leitung aufgegeben, nachdem sein Vorgänger Michael Culo gut zehn Jahre lang für Kontinuität und Weiterentwicklung sorgte.

Eine erste gemeinsame Reise

Jetzt ist seit Mai Sebastian Kunz der neue Künstlerische Leiter von Collegium Iuvenum und der damit verbundenen Singschule. Und er vermittelt glaubhaft das Gefühl, dass da nun wieder etwas Langfristigeres mit ihm entstehen kann. Die erste gemeinsame Reise im Juni stimmt den 32-Jährigen da sehr zuversichtlich: Neun Tage lang waren sie unterwegs, fünf Auftritte haben sie absolviert, in der Abtei Maria Laach, in Altenberg sowie in Wuppertal, außerdem Auftritte im Kölner und im Aachener Dom. Kunz: „Das war sehr wichtig, das gemeinsame Proben, das zum Teil auch ziemlich anstrengend war. Dann die guten Konzertauftritte und die gemeinsame Freizeit mit Fußballspielen und anderem.“ Für Kunz zählt auch besonders, dass er so jeden Einzelnen gut kennenlernen konnte. „Das ist ganz wesentlich für die Chorarbeit“, so Kunz.

Und das Programm „A Joyful Noise“ ist ja auch ganz nach dem Geschmack der jungen Sänger: Ganz alte Musik war da dabei von Henry Purcell oder Thomas Tallis, Romantisches von Felix Mendelssohn Bartholdy sowie ziemlich lautmalerische Gegenwartsmusik von Knut Nystedt oder William Mathias, dessen Stück zum Motto dieser Konzertreise wurde. Die Planungen dieser Reise haben natürlich schon vor dem Amtsantritt von Kunz begonnen, dennoch konnte er auch einiges mitgestalten. Und auch das gehört zum notwendigen Einarbeiten, denn Collegium Iuvenum ist ja nicht nur der große Konzertchor von derzeit knapp 200 Jungs, sondern eine Schule, in die man hineinwachsen soll. Das beginnt schon mit der musikalischen Früherziehung, das geht dann weiter in verschiedenen altersgerechten Chorstufen. Dazu gibt es die vielen räumlichen Möglichkeiten in der prächtigen neuen Domsingschule an der Landhausstraße. Und dazu kommen etliche professionelle Co-Repetitoren, wenn es ums Einsingen oder um individuelles Stimmtraining geht. Auch sie geben entscheidende Impulse in der Arbeit mit den Jugendlichen.

Eine Institution mit vielen Gestaltungsmöglichkeiten

Singen in einem Knabenchor – das ist für Kunz nach wie vor eine attraktive Sache. Das lebt er heute vor, das hat er auch früher selbst so erlebt in Freiburg, wo er geboren wurde und aufgewachsen ist. „Bei den Freiburger Domknaben gewesen zu sein, das war für mich sehr wichtig“, so Kunz rückblickend, „das hat mich auch geprägt mit dem Wunsch, mal etwas mit Musik zu tun haben. Dass ich nun selbst solch einen Chor leite – da ist ein Traum in Erfüllung gegangen. Und das auch noch hier an so einem Ort mit der Domsingschule als einer Institution, die so viele Gestaltungsmöglichkeiten bietet.“

Die Freizeit komme da auch nicht zu kurz. Vor allem sportliche Aktivitäten zählen bei Kunz, in Freiburg war er natürlich Fan des dortigen Fußball-Bundesligisten. Ob er nun zum VfB-Fan wechseln wird, darüber ist nichts bekannt. Freizeit beim Collegium Iuvenum bedeutet aber auch gemeinsame Tage in Michelbach. Das hat schon Tradition, einen Teil der Sommerferien gemeinsam bei Schwäbisch Hall zu verbringen. In den vergangenen Jahren musste ausgewichen werden wegen Sanierung des Gebäudes. Jetzt funktioniert dort wieder alles bestens, neben den Naturerlebnissen warten dort auch erste Begegnungen mit Bachs „Weihnachtsoratorium“, das vom Collegium Iuvenum stets zu den Feiertagen in der Liederhalle aufgeführt wird. Denn die Pflege des Repertoires steht auch ganz oben auf der Liste, die nach den Coronajahren abgearbeitet werden muss.

Und Kunz kann mit seinen jugendlichen Sängern auch schon mal ein Stück weiter träumen, von einer Konzertreise außerhalb von Europa. Denn alle fünf Jahre leistet sich der Chor diesen Aufwand, zuletzt war das 2019 mit Auftritten in Argentinien. Wann es das nächste Mal wohin gehen wird, da ist jetzt natürlich noch gar nichts spruchreif. Aber der Geschäftsführer versichert schon mal, dass an einer Reise im Jahr 2024 kräftig gearbeitet werde.