Wladimir (li.) und Vitali Klitschko posieren mit ihren WM-Gürteln. Foto: dapd

Vitali und Wladimir Klitschko beherrschen das Schwergewicht und nehmen Kritik mit Humor.

München - München ist nicht gerade eine Hochburg der Narretei. Eine Faschingsgesellschaft aber gibt es trotzdem. Die Narrhalla verleiht alljährlich den Karl-Valentin-Orden. Jüngste Preisträger sind die Klitschko-Brüder, und das hat weniger mit ihrer Schlagfertigkeit zu tun. Vielmehr, so die Begründung der Jury, besäßen die Boxer großes „komödiantisches Talent“, das sie in verschiedenen Werbespots immer wieder gezeigt hätten. Narrhalla hat Geschmack gefunden an der Milchschnitte. Wem die Sprüche in der TV-Werbung etwas zu dick aufge-tragen sind, dem sei verraten: Humor ist tatsächlich kein Fremdwort für die Klitschkos.

Das jüngste Beispiel lieferten die Schwergewichtsweltmeister im österreichischen Going. Dort, im noblen Fünfsternehotel Stanglwirt, hielten sie ihr erstes gemeinsames Trainingslager seit acht Jahren ab. Vitali Klitschko (40) bereitete sich auf seinen Kampf an diesem Samstag (22.45 Uhr/RTL live) in München gegen Dereck Chisora vor, Wladimir Klitschko (35) auf sein Duell gegen Jean-Marc Mormeck in zwei Wochen in Düsseldorf. Wie immer war das Hotel an zwei Tagen für die Medien geöffnet, und als die Journalisten in der zum Boxgym umfunktionierten Tennishalle versammelt waren, rief der Ältere plötzlich: „Achtung! Jetzt kommt etwas, das ihr noch nie gesehen habt – beide Klitschkos kämpfen im Ring.“

Tatsächlich kletterten die Brüder durch die Seile, beide gingen m it dick bandagierten Fäusten aufeinander los. Alles nur Show? Alles nur Show! Die beiden boten eine Runde Schattenboxen und hatten sichtlich Freude dabei. Als Wladimir Klitschko danach gefragt wurde, warum er seinen Bruder denn nicht getroffen habe, antwortete er mit einem breiten Grinsen: „Er war viel zu schnell.“

Das Duo ist Attraktion genug

Die zwei Ukrainer messen sich gerne, und sie tun es mit großem Ehrgeiz. Beim Schach. Beim Tischtennis. In Wortgefechten. Nur nicht im Boxen. Sind die Brüder unter sich, wollen sie nur spielen – denn einst haben sie ihrer Mutter Nadeschda versprochen, nie gegeneinander zu kämpfen. Und sie haben sich dran gehalten. Von Anfang an.

Bei der Amateur-WM 1995 in Berlin, die Klitschkos waren nur Kennern der Szene bekannt, verlor Vitali das Finale im Superschwergewicht gegen den Russen Alexei Lesin. Wladimir? Schied im Schwergewicht im Viertelfinale gegen Luan Krasniqi aus. Der deutsche Meister war damals stark, Klitschko aber geschwächt. Er hatte gehungert, um unter dem Limit von 91 kg zu bleiben. Nur weil er eine Klasse tiefer boxte, war ausgeschlossen, auf den eigenen Bruder zu treffen.

Die Klitschkos sind konsequent geblieben. Bis heute. Ein Bruder-Duell? Ausgeschlossen, auch wenn es einer der spektakulärsten Kämpfe der Boxgeschichte wäre. Stattdessen teilen sich die Klitschkos die WM-Gürtel der fünf größten Verbände brüderlich untereinander auf. Kein Wunder: Das Duo ist Attraktion genug. Gegen alle einigermaßen namhaften Gegner, die es gibt, haben sie gekämpft, und trotzdem ist der Boom um die beiden Boxer noch lange nicht zu Ende. Rund drei Millionen Euro verdienen die Klitschkos pro Kampf, sie füllen die größten Stadien, mehr als zehn Millionen Zuschauer sitzen vor dem Fernseher – egal, gegen wen sie kämpfen.

Mike Tyson verteidigt die Klitschkos

Es gibt allerdings auch Kritiker der ukrainischen Spaßgesellschaft. Dereck Chisora gehört dazu, natürlich. „Sie haben den Sport getötet, den ich liebe“, sagt der Herausforderer von Vitali Klitschko, „es ist höchste Zeit für einen neuen König.“

Das sieht auch Lennox Lewis so. Der Brite ist der Letzte, der Vitali Klitschko geschlagen hat. Es war ein denkwürdiger Kampf, damals im Juni 2003 in Los Angeles, als Klitschko in Führung liegend wegen mehrerer blutender Platzwunden vom Ringarzt gestoppt wurde. „Heute ist das Schwergewicht auf einem Tiefpunkt“, sagt Lewis und macht dafür auch die Klitschkos verantwortlich: „Im Boxen geht es darum, den König unter den Königen zu finden. Stattdessen weigern sich die beiden, gegeneinander anzutreten. Damit entwerten sie das Boxen an sich. Wir wollen einen Champion sehen und nicht zwei Typen, die sich den Titel untereinander aufteilen.“

Den Gefallen allerdings werden ihm die intelligenten Ukrainer nicht tun, und es gibt einen anderen Ex-Weltmeister, der dafür Verständnis hat. „Jeder sagt, die Klitschkos seien langweilig, weil sie wissenschaftlich boxen“, erklärt Mike Tyson, der das Schwergewicht Ende der 80er Jahre dominierte, „die Leute wollen einen Champ sehen, der vernichtet. Aber das ist nicht objektiv. Im Boxen geht es ums Gewinnen, und was tun die Klitschkos? Sie gewinnen!“

Nur nicht gegeneinander. Weil aus Spaß nie ernst werden darf. Zumindest im Ring.