Der ukrainische Schwergewichts-Weltmeister und Politiker Vitali Klitschko spricht im Februar 2009 zu Demonstranten in der Hauptstadt Kiew – jetzt freut er sich auf die EM in seiner Heimat. Foto: dpa

Box-Weltmeister Vitali Klitschko über die Gastfreundschaft seiner Landsleute und möglichen Boykott der Politiker

Vitali Klitschko spricht sich klar gegen einen Politiker-Boykott der EM in seinem Heimatland aus. „Die Bundeskanzlerin muss ja nicht die Ehrenloge mit Präsident Viktor Janukowitsch teilen“, sagt der ukrainische Schwergewichts-Weltmeister.

Herr Klitschko, es sind nur noch wenige Tage bis zur Eröffnung der Fußball-Europameisterschaft in Ihrem Land. Wie ist die Stimmung, was erwartet die Besucher?
Wer in die Ukraine kommt und von diesem riesigen Land und seinen Menschen wenig oder gar nichts weiß, der wird ein überaus gastfreundliches Volk kennenlernen. Egal wie reich oder wie arm ein Ukrainer ist, er wird mit seinem Gast das letzte Brötchen teilen. Die Bevölkerung ist begeistert von der Euro und denkt weniger daran, was sie ihr bringt, sondern was sie dazu beitragen kann, dass unsere Gäste sich wohl fühlen und beeindruckt von unserem Land und seinen Leuten nach Hause fahren. Wir sollten daher alles tun, um unseren ausländischen Gästen unsere Gastfreundschaft zu demonstrieren.

Nun überschattet die Haft und die Behandlung der kranken Oppositionspolitikerin Julija Timoschenko dieses Fußballfest schon bevor es losgeht. Vor allem in Deutschland, Ihrer zweiten Heimat, wird die Debatte über Sanktionen, Boykott der Politiker, Verlegung und gar Absage des ukrainischen Teils der Euro 2012 geführt.
Solche Reaktionen würden vor allem das Volk treffen, das sich so sehr auf dieses Ereignis freut. Es geht um Sport. Die Menschen in diesem Land sind gegenwärtig nicht das Gesicht dieser Ukraine, sondern die Regierung. Daher sollte man von derlei Überlegungen Abstand nehmen. Ich kann sie nicht akzeptieren.

Auch der Besuch von Angela Merkel, bekanntlich ein Fan der deutschen Nationalmannschaft, ist noch fraglich.
Die Bundeskanzlerin muss ja nicht die Ehrenloge mit Präsident Viktor Janukowitsch teilen und ihm die Hand schütteln. Sie kann doch ganz privat im Tribünenblock der deutschen Delegation sitzen, etwa neben DFB-Präsident Wolfgang Niersbach, und ihre Mannschaft anfeuern. Damit würde dem Diktator demonstrativ die politische Bühne entzogen. Wie schon durch die Absage von Bundespräsident Gauck, am Präsidententreffen auf der Krim teilzunehmen.

Was müsste geschehen, damit die politische Debatte über das Turnier in der Ukraine entschärft wird?
Julija Timoschenko müsste außerhalb der Ukraine ärztlich behandelt werden. Durch diese humane Maßnahme könnte Schaden von der Fußball-Europameisterschaft abgewendet werden. Schon unmittelbar nach ihrer Verhaftung im August vergangenen Jahres habe ich in einem Appell an Janukowitsch ihre Freilassung gefordert und mich als Bürge zur Verfügung gestellt. In einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ hatte ich gewarnt: Durch die Verhaftung von Julija Timoschenko ist die Fußball-Europameisterschaft in unserem schönen Land bedroht.

Inwieweit sind Sie persönlich in die Ausrichtung des Turniers involviert?
Als Botschafter im Organisationskomitee bin ich für die Volunteers zuständig. Die englische Sprache zählte zu den wichtigsten Auswahlkriterien unter den rund 20.000 Bewerbern. Denn sie sollen unseren Besuchern auch die Schönheit unserer Landschaft mit den weiten Steppen, den bis zu 3000 Meter hohen Karpaten und der Schwarzmeerküste, die Natur und die Denkmäler unserer großartigen Geschichte und Kultur vermitteln können.