Brustkrebs ist längst kein Todesurteil mehr. Die Heilungschancen liegen bei mehr als 80 Prozent. Foto: Diagentur

Das Klinikum arbeitet bei der Rekonstruktion nach Brustkrebsoperationen mit dem Stuttgarter Marienhospital zusammen, DIE perfekte Methode gibt es indes nicht.

Esslingen - Eigentlich sind Gynäkologen und plastische Chirurgen nicht unbedingt Freunde.“ Professor Thorsten Kühn, der Chefarzt der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Klinikum Esslingen, lächelt. „Schließlich arbeiten beide zu gewissen Teilen auf dem gleichen Gebiet.“ Doch diesen Konkurrenzgedanken haben Thorsten Kühn und sein Kollege Thomas Schoeller, der Ärztliche Direktor des Zentrums für plastische Chirurgie des Stuttgarter Marienhospitals, abgelegt – und eine bemerkenswerte Zusammenarbeit vereinbart.

Zehn Operationen waren schon erfolgreich

Seit dem vergangenen Herbst kommen Oberärzte aus Stuttgart immer wieder ans Klinikum Esslingen, um bei der Brust-Rekonstruktion nach Krebsoperationen ihr spezielles Fachwissen zum Wohl der Esslinger Patienten einzusetzen. Zehn solcher Operationen sind mittlerweile erfolgreich abgeschlossen worden. Jetzt haben Kühn und Schoeller ihr gemeinsames Projekt der Öffentlichkeit vorgestellt.

Im renommierten Brustzentrum in Esslingen – Thorsten Kühn steht seit Jahren auf der Focus-Liste der besten deutschen Ärzte – werden jährlich 300 Krebsoperationen durchgeführt. Neben der sicheren Tumorentfernung, so betont Kühn, legen er und seine Kollegen besonderen Wert auf die Brusterhaltung. Dabei habe man viele Erfahrungen gesammelt. Im Fall einer Brustamputation werde allen Frauen eine Sofortrekonstruktion angeboten. Dabei kämen allerdings Implantate zum Einsatz. „Normalerweise bietet eine Klinik ihren Patienten nur die Technik an, die ihre Ärzte selbst beherrschen. Ich aber wollte die beste Therapie für die Patientin“, beschreibt Thorsten Kühn seinen Ansatz.

Eigengewebe der Patientinnen aus Bauch oder Oberschenkel

Die kollegiale Freundschaft zu Thomas Schoeller hat Kühn nun die Möglichkeit eröffnet, dieses Ziel zu erreichen. Denn der plastische Chirurg zählt bundesweit zu den führenden Medizinern auf seinem Gebiet. Seine Spezialität: der Chirurg verwendet für die Brustrekonstruktion Eigengewebe der Patientinnen. Dabei wird – je nach Wunsch der Frau – Fettgewebe aus dem Bauch oder aus dem Oberschenkel gewebesparend entnommen und an das Blutgefäßsystem an der Brust angenäht. So können ästhetisch besonders gute Ergebnisse erzielt werden. „Dieser Mosaikstein hat uns noch gefehlt“, sagt Thorsten Kühn, „und wir wären auch nicht in der Lage, die Operationen in der Perfektion auszuführen, in der sie Professor Schoeller und sein 15-köpfiges Ärzteteam beherrschen.“

Wann eine solche Operation in Frage kommt, hängt stark von der Art der Krebserkrankung und den Wünschen der Patientinnen ab. Wenn es onkologisch möglich ist, könnten Krebsoperation und Rekonstruktion im Idealfall sogar zusammengelegt werden. Oft entschieden sich Patientinnen aber erst später zu diesem Schritt. Wichtig sei für viele Frauen, dass die zweite Operation an dem Ort stattfinde, den sie von ihrem ersten Krankenhausaufenthalt bereits kennen“, erzählt Thomas Schoeller von seinen Erfahrungen.

Es gebe, so betonen beide Mediziner, aber nicht DIE beste Lösung für alle Frauen. Vielmehr müsse man jeweils individuell und im Gespräch mit den Patientinnen herausfinden, mit welcher Lösung sie ihr weiteres Leben gestalten wollten. Denn: ein Todesurteil ist Brustkrebs, anders als noch vor 120 Jahren, schon lange nicht mehr. Die Forschung hat in den vergangenen Jahrzehnten extreme Fortschritte gemacht. So liegt die Heilungschance verteilt über alle Brustkrebsarten und -stadien bei mehr als 80 Prozent. Wird der Krebs in einem frühen Stadium erkannt, steigen die Chancen, wieder vollkommen gesund zu werden, sogar auf mehr als 90 Prozent.