Kinder in der Katharinenhöhe in Schönwald Foto: Khs

Wenn Kinder und Jugendliche schwer erkranken, ändert sich auch ihr Schulleben. Damit sie wieder Anschluss finden, haben viele Kliniken eigene Schulen eingerichtet

Schönwald/Tannheim/Gailingen - Alexander ist froh, dass er in den Ferien lernen kann. Der 18-Jährige aus der Region Stuttgart ist für vier Wochen auf die Katharinenhöhe in Schönwald gekommen. Hier, mitten im Schwarzwald, will er Kraft schöpfen und sich auf das neue Schuljahr einstimmen, das mit dem Abitur enden soll. Nach einem Jahr Zwangspause macht er sich mit Matheaufgaben und englischen Vokabeln vertraut.

Die Klinikschule ist Teil der Reha-Klinik für Kinder und Jugendliche mit Krebs- und Herzerkrankungen. Die jungen Patienten kommen für vier Wochen, reisen zur gleichen Zeit an und ab. Neben Krankengymnastik und anderen Therapien erhalten sie dort auch einzeln oder in kleinen Gruppen Unterricht, vor allem in den Hauptfächern. Die Einschränkungen der rund 60 Schüler sind sehr unterschiedlich. Allen gemeinsam ist, dass sie durch ihre Krankheit aus ihrem bisherigen Leben gerissen wurden.

Bei Alexander wurde vor einem Jahr ein Tumor am Knie entdeckt, hinter ihm liegen Chemotherapien, Operationen und schließlich eine Amputation. Dank einer Prothese kann er wieder gehen, seinen Blick richtet er in die Zukunft. Nach dem Abitur möchte er Luft- und Raumfahrt studieren.

Insgesamt 47 Schulen für Kranke gibt es im Südwesten. Im vergangenen Schuljahr besuchten 2362 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene die Einrichtungen, die ihnen die Rückkehr in ihre alte Schule erleichtern sollen. „Ohne dieses Angebot kämen viele erst in den Ferien zur Reha, weil sie nicht noch mehr Unterricht verpassen wollen“, sagt Stephan Maier, Geschäftsführer und Psychosozialer Leiter der Katharinenhöhe. Dabei sei es wichtig, dass sie früh Hilfe erhalten, um ihren Alltag bewältigen zu lernen. Sie müssen beispielsweise üben, zu gehen, das Gleichgewicht zu halten oder sich auf etwas zu konzentrieren.

Sarika versucht auf einem Trainingsgerät, Arm- und Beinbewegungen zu koordinieren. Bei ihrem ersten Aufenthalt im Mai hat sich die 13-Jährige auf die Schule vorbereitet. „Zum Reinkommen war das super“, erzählt sie. Ihre Tochter habe durch die gute Betreuung ihr Selbstvertrauen zurückgewonnen, berichtet die Mutter. Der Aufenthalt war aber nicht nur für Sarika, sondern für die ganze Familie wichtig. „Wir haben gelernt, mit der Krankheit zu leben.“

Wenn Kinder erkranken oder verunglücken, geraten Familien oft an ihre Grenzen, sagt Maier. Um sie zu unterstützen, bietet die Klinik seit 29 Jahren auch Reha-Angebote für Familien. Bei Patienten bis zu 15 Jahren kommen Eltern und Geschwister mit. Der Austausch mit anderen Betroffenen, Gespräche mit Psychologen, gemeinsame Unternehmungen erleichtern vielen den Umgang mit der Krankheit. Die Geschwister erhalten natürlich auch Unterricht.

Dabei arbeite die Klinikschule eng mit den Heimatschulen zusammen, sagt Realschullehrerin Ulrike Kalmbach, die Englisch unterrichtet und mit Schülern Gedächtnistraining macht. Durch lange Unterbrechungen vergessen Schüler vieles, Medikamente sowie die körperlichen und psychischen Belastungen können zu Konzentrationsstörungen führen. Deshalb spielt die weitere Schulplanung eine große Rolle. Das erleichtert Schülern die Rückkehr – und auch Schulen. Denn dort herrscht oft ebenfalls Unsicherheit. Manchmal verschweigen Eltern auch, warum ihr Kind gefehlt hat.

„Ich habe immer offen über meine Krankheit gesprochen“, erzählt Felix, der vier Wochen in der Nachsorgeklinik Tannheim verbringt. Wegen seiner Mukoviszidosekrankheit musste er immer wieder in die Klinik. Auch von Lehrern und Mitschülern zu Hause erhalte er Unterstützung. „Die Klinikschule ist ein Power-Riegel beim Marathon einer lebensbedrohlichen Erkrankung“, sagt die Tannheimer Schulleiterin Lucia Bischof.

An der Wilhelm-Bläsig-Schule in Gailingen am Bodensee bleiben Schüler sogar bis zu 18 Monate. Wer im Neurologischen Krankenhaus und Rehabilitationszentrum Hegau-Jugendwerk ankommt, muss oft ganz von vorn beginnen, weil ein Unfall, Schläge oder eine Hirnblutung das Hirn schwer in Mitleidenschaft gezogen haben. „Dann geht es nicht um Fachunterricht, sondern darum, den jungen Menschen allmählich wieder ins Leben zurückzuführen“, sagt Schulleiter Rüdiger Becker und gibt seinen Besuchern, Kultusstaatssekretärin Marion von Wartenberg und Hubert Seiter, Chef der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg, eine Bitte mit auf den Weg, sich weiter für eine bessere Finanzierung einzusetzen. Manche Kostenträger wollten Patienten möglichst schnell nach Hause schicken, die nötigen Therapien zur Förderung von Motorik, Gedächtnis oder Sprache sollten sie ambulant erhalten. Dadurch würden bei manchem Fortschritte verhindert.