Dass die Zahl der Patienten steigt, hat mit dem demografischen Wandel und dem medizinischen Fortschritt zu tun. Foto: epd

Immer mehr Patienten im Land werden in immer weniger Kliniken behandelt. Das zeigt die aktuelle Krankenhausstatistik. Und der Konzentrationsprozess geht weiter.

Stuttgart - Immer weniger Krankenhäuser in Baden-Württemberg versorgen immer mehr Patienten in immer kürzerer Zeit. Zu diesem Ergebnis kommt das Statistische Landesamt in seinem Jahresbericht. Demzufolge wurden im vergangenen Jahr 2,17 Millionen Patienten in Kliniken vollstationär behandelt. Das sind 27 000 mehr als im Jahr zuvor (plus 1,2 Prozent). Im Vergleich zu 2006 liegt das Plus bei knapp 13 Prozent. Seit 1996 sind die Patientenzahlen um ein Viertel gestiegen.

Verantwortlich dafür seien der demografische Wandel und der medizinische Fortschritt, erklärt Annette Baumer, die Sprecherin der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG). Allein im Bereich der Anästhesie habe sich viel getan. So seien heute verschiedene Operationen auch bei älteren Menschen möglich, auf die man vor wenigen Jahren noch hätte verzichten müssen, weil die Gesundheitsrisiken durch die Narkose zu groß gewesen wären. Die Zahl der Betten im Land ist 2016 auf 55 900 (minus 0,4 Prozent) gesunken. Die Bettenauslastung hat dagegen wieder um 0,2 Punkte leicht zugenommen und lag 2016 bei 77,3 Prozent. Zum Vergleich: 1996 waren die Betten noch zu 80 Prozent ausgelastet; vor zehn Jahren allerdings nur zu 73,7 Prozent.

Jeder zehnte Klinikstandort wurde geschlossen

2016 haben erneut – wie schon in den drei Jahren zuvor – zwei Krankenhäuser dicht gemacht. Aktuell gibt es demnach noch 266 Häuser. Vor zehn Jahren waren es noch 296, im Jahr 1996 sogar 317 gewesen. Allein in den vergangenen zehn Jahren betrug der Schwund also zehn Prozent. Und der Konzentrationsprozess in der baden-württembergischen Kliniklandschaft geht weiter. Bereits beschlossene Sache ist die Schließung der Krankenhäuser in Möckmühl, Brackenheim und Künzelsau. Im Landkreis Lörrach tun sich drei Kreiskliniken und ein kirchliches Haus als neue Klinikgesellschaft in einem geplanten Neubau zusammen. Auch die Krankenhäuser in Böblingen und Sindelfingen werden in einem auf dem Flugfeld geplanten neuen Klinikum unter einem Dach vereinigt. Dieser Konzentrationsprozess, prognostiziert Baumer, werde anhalten. „Wir gehen aber davon aus, dass er sich verlangsamt.“

Der baden-württembergische Sozialminister Manne Lucha (Grüne) indes hat im Interview mit dieser Zeitung prognostiziert, in zehn, 15 Jahren werde die Zahl der Kliniken auf 200 sinken. Baden-Württemberg habe zu viele kleine Einrichtungen, eine zu hohe Krankenhausdichte und zu wenig Spezialisierungen. Zu diesem Schluss kommt auch der aktuelle Krankenhaus Rating Report des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI). Für die Studie waren die Jahresabschlüsse von bundesweit fast 900 Kliniken untersucht worden. Das Ergebnis: wirtschaftlich am besten stehen die Krankenhäuser in Ostdeutschland da, die Kliniken in Bayern, Niedersachsen, Bremen, Hessen und Baden-Württemberg am schlechtesten. Beim BWKG indes macht man dafür vor allem das hohe Lohn- und Gehaltsniveau verantwortlich. Der Verband beziffert die Mehrkosten beim Personal im Vergleich zum Bundesdurchschnitt auf 251 Millionen Euro, etwa hundert Euro pro Patient.

Piepenburg: Der Strukturwandel kostet Geld

In anderen Bereichen müsste es nach Auffassung der BWKG deutlich schneller gehen. Der Verband, in dem 451 Träger von Krankenhäusern, Rehabilitations- und Pflegeeinrichtungen zusammengeschlossen sind, fordert mehr Tempo bei der Digitalisierung der Krankenhäuser – und dafür vor allem finanzielle Unterstützung vom Land. Die BWKG schlägt ein befristetes Sonderprogramm für die Digitalisierung der Krankenhäuser vor. Dafür müsste die Pauschalförderung im Doppelhaushalt 2018/2019 um 50 Millionen Euro pro Jahr angehoben werden. Stattdessen sei der Ansatz im Etatentwurf der grün-schwarzen Regierung um mehr als 25 Millionen Euro gekürzt worden. „Wer den Strukturwandel in der Krankenhauslandschaft will, muss die dafür benötigten Mittel auch bereitstellen“, kritisiert Detlef Piepenburg, der BWKG-Vorstandsvorsitzende und Heilbronner Landrat (parteilos). Er verweist ebenfalls auf die Untersuchung des RWI. Dort wird der jährliche Investitionsbedarf für die Kliniken im Land auf 650 Millionen Euro beziffert. Für die neuen Baumaßnahmen sind im Etatentwurf 2018/2019 laut Sozialministerium 487,8 Millionen Euro für beide Jahre eingeplant. Für die Pauschalförderung der Krankenhäuser, die auch die Bauprogramme der vergangenen Jahre bedient, stehen insgesamt 893,4 Millionen bereit.

Die durchschnittliche Verweildauer der stationär versorgten Patienten in den Kliniken ist wie in den vergangenen Jahren weiter rückläufig. 2016 wurden die Kranken noch 7,3 Tage im Krankenhaus versorgt. Seit 2010, als die Verweildauer erstmals unter die Acht-Tage-Marke rutschte, hat sich der Aufenthalt jährlich um ein Hundertstel verkürzt. Vor zehn Jahren waren die Patienten noch durchschnittlich 8,5 Tage im Krankenhaus; 1996 dauerte der durchschnittliche Klinikaufenthalt noch 11,4 Tage. Seit 1990 damit begonnen wurde, die Krankenhausstatistik bundeseinheitlich zu führen, ist die Zahl der vollstationären Pflegetage um 27 Prozent gesunken.

Im gleichen Zeitraum wurde landesweit jedes fünfte Krankenhausbett abgebaut, dafür wurden aber um 35 Prozent mehr Patienten behandelt. Bei der Zahl der Mitarbeiter gibt es hingegen gegenläufige Trends. So arbeiten mittlerweile 19 381 Ärzte an den Kliniken, das sind 1,8 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Zahl der Pflegekräfte ist hingegen nur um 1,1 Prozent auf 37 804 Vollzeitstellen gestiegen.

Langfristig betrachtet schrumpft die Ausstattung mit Pflegepersonal. Vor 20 Jahren gab es noch 41 068 Vollzeitkräfte. Das ist ein Minus von acht Prozent. Im gleichen Zeitraum sind 6670 Ärztestellen geschaffen worden – das ist ein Plus von mehr als 50 Prozent.