Viele Männer ignorieren ihre psychischen Probleme – bis es nicht mehr geht. Eine neue Gruppe in Winnenden will das ändern. Wie funktioniert „Men’s Talk“?
Männer reden nicht über ihre Gefühle? Doch, wenn sie den richtigen Raum dafür bekommen. Dieser Überzeugung sind zumindest Experten vom Klinikum Schloß Winnenden. Mit „Men’s Talk“ startet die Einrichtung ein spezielles Gruppenangebot für männliche Patienten, das gesellschaftliche Rollenmuster hinterfragen und neue Wege der psychischen Unterstützung aufzeigen will.
Laut der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) nehmen Männer deutlich seltener psychotherapeutische Hilfe in Anspruch als Frauen. Die Ursachen sind tief verwurzelt: traditionelle Männlichkeitsbilder, Angst vor Stigmatisierung und die gesellschaftliche Erwartung, stets funktionieren zu müssen. Doch was passiert, wenn dieses Funktionieren nicht mehr gelingt? Genau hier soll „Men’s Talk“ ansetzen.
Raum für Männer, um sich zu öffnen
Das neue Gruppentherapie-Format richtet sich an männliche Patienten ab 18 Jahren in der Psychiatrischen Institutsambulanz (PIA) des ZfP Winnenden. In acht thematischen Modulen können die Teilnehmer jederzeit einsteigen. „Männer sprechen anders, wenn sie unter sich sind“, erklärt Daniel Barschtipan, Experte für Gender Mental Health Care und Leiter der Gruppe. „Das schafft eine besondere Dynamik, die es erleichtert, sich zu öffnen. Neben offenen Gesprächen setzen wir gezielt interaktive Methoden ein, um den Austausch zu fördern.“
Viele Männer definierten sich über ihren Beruf oder ihre Rolle als Versorger. „Wenn diese Basis wegfällt, entstehen Identitätskrisen“, so Barschtipan. Trotz des hohen Bedarfs gebe es bisher kaum geschlechtsspezifische Therapieangebote. Dabei sei bekannt, dass ein frühzeitiger Zugang zu psychotherapeutischer Unterstützung den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen könne.
Sonja Heinrich, Stationsleiterin der PIA, sieht im neuen Angebot einen wichtigen Schritt: „Ich beobachte oft, wie wenig Raum die psychische Gesundheit von Männern bekommt. Als Mutter eines Sohnes finde ich es höchste Zeit, dass sich das ändert.“
Geschlechtsspezifische Hilfe
Das Interesse an „Men’s Talk“ ist bereits groß. „Viele Teilnehmer erkennen erst in der Therapie, dass sie jahrelang nur funktioniert haben, ohne auf ihre eigenen Bedürfnisse zu achten“, berichtet Barschtipan. „Hilfe anzunehmen ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von Selbstfürsorge. Wir müssen die psychiatrische Versorgung so gestalten, dass sie männertauglich ist. Der Gender Gap in der psychischen Gesundheitsversorgung ist real – und es wird Zeit, ihn zu schließen.“
Weitere Informationen unter www.zfp-winnenden.de