In Bad Cannstatt wird ein Bürgerbeteiligungsverfahren zur Forensischen Klinik vorbereitet. Betroffene haben ihre Kritik, Sorgen und Fragen zu Protokoll gegeben.
In den Räumen des ehemaligen Rotkreuzkrankenhauses soll ein Maßregelvollzug für psychisch kranke Straftäter einziehen. Das hat die baden-württembergische Landesregierung beschlossen. Die Pläne stoßen vor Ort auf heftigen Widerstand. Vor allem wird der Standort in der Badstraße in Frage gestellt. Das Sozialministerium plant nun eine Bürgerbeteiligungsverfahren. Dazu gab es kürzlich ein erstes Vorbereitungstreffen mit Betroffenen.
30 Vertreter gaben viele und detaillierte Hinweise
Von rund 90 Eingeladenen seien etwa 30 gekommen, erklärte Ulrich Arndt, Leiter des Bürgerbeteiligungsverfahrens. Es seien Vertreter aus unterschiedlichsten Bereichen, Anwohner, Bürgerinitiative, Handel und Gewerbe, Bezirk, Verwaltung, der Justiz und der Polizei dabei gewesen, die sehr viele nützliche und detaillierte Hinweise gegeben hätten. „Die Stimmung war nicht konfrontativ, sondern sehr kooperativ“, sagte Arndt, der den Auftakt positiv bewertete.
Zweifel an Standortwahl und Frage nach Sicherheitskonzept
Matthias Busch von der Initiative Schöne Straße erklärte, dass die Initiative bei der Auftaktveranstaltung alle Themen, die wichtig waren, in den Diskussionsrunden habe einbringen können. „Wir erwarten nun, dass sie im weiteren Beteiligungsprozess geklärt werden. Insbesondere interessiert uns, wieso ausgerechnet dieser Standort so geeignet sein soll. Und wie das Sicherheitskonzept des Maßregelvollzugs sowohl für die Straftäter als auch für uns Anwohner aussehen soll.“ Die Initiative sehe Bad Cannstatt durch das Gemeindepsychiatrische Zentrum, die Klinik für Suchtmedizin und das Zentrum für Seelische Gesundheit bereits gut aufgestellt. „Wir hoffen, dass das Land bei einem Vororttermin die Standortwahl überdenkt“, so Busch. Er begrüßte, dass es bei der Infoveranstaltung am 5. Mai keine Obergrenze von nur 100 Personen geben soll.
Transparente Information des Ministeriums gefordert
Bezirksvorsteher Bernd-Marcel Löffler beurteilte das Treffen als „sehr gut und in sachlicher Atmosphäre.“ Es seien die Themenfelder eingegrenzt oder benannt worden, die bei der Info-Veranstaltung am Mai angesprochen werden sollen. „Bei dieser erwarte ich eine rege Beteiligung und eine hoffentlich ebenso sachliche Diskussion bei klarer und transparenter Information seitens des Ministeriums.“
Problem: Bauliche Einbettung mit vielen nahen Wohnhäusern
Viele Wohnhäuser grenzen ohne Barriere an das ehemalige Rotkreuzkrankenhaus. Deshalb liegen die Themen auf der Hand, die die Anwohner umtreiben: Fragen zur Sicherheit, Verfolgung von Ausbrechern, die örtliche Drogenszene, Zahl und Art der Plätze, die Pläne bei Rückfall- und Notfallverlegungen, die Kriterien das Sozialministeriums, die den Standort Bad Cannstatt als geeignet erscheinen lassen. Aber auch Themen wie das Sicherheitskonzept bei Großveranstaltungen, die Situation für suizidgefährdete Freigänger bezüglich des nahen Neckars, der Eisenbahn und Stadtbahn. Auch die bauliche Einbettung ins Wohnumfeld, den Durchgängen von der Theobald-Kerner-Straße zur Badstraße.
Handel konstatiert „gefühlte Unsicherheit“
Das Thema schlägt auch beim örtlichen Handel hohe Wellen. GVH/VDF-Vorstandsmitglied Gerhard Bach, der bei dem ersten Treffen auch den Vorsitzenden der Altstadt Bad Cannstatt vertrat, erklärte, dass der Auftakt konstruktiv und angenehm verlaufen sei. Es gebe eine gefühlte Unsicherheit, die mehr Polizeipräsenz erfordere.
Finanzielle Unterstützung des Stadtteils durch das Land gefordert
Der Vereinsvorsitzende der Altstadt Bad Cannstatt, Dirk Strohm, forderte im Gegenzug für Bad Cannstatt etwas vom Land, etwa einen unbürokratischen Topf mit finanziellen Mittel, den der Bezirksbeirat verwaltet, dass man den Stadtteil nach vorne bringen kann. Sein Anliegen ist es, „dass Bad Cannstatt nicht abgehängt wird und man mit weiteren Geldern etwas für den Stadtteil machen kann“, denn der bürgerschaftliche Engagement-Topf sei begrenzt.
Belegung mit 80 Straftätern auf vier Stationen
Arndt erklärte, dass das Rotkreuzkrankenhaus für vier Gruppen von psychisch kranken Straftätern gemietet werden soll, mit 80 Plätzen auf vier Stationen, davon zwei Abteilungen von sehr weit ausgeheilten Kranken. Eine Sprecherin des Sozialministeriums bestätigte die geplanten 80 Plätze, erklärte aber, dass die genaue Verteilung noch nicht fest stehe. Vorne im Verwaltungstrakt der Badstraße befindet sich der Landesverband des Deutschen Roten Kreuzes (DRK). Das solle auch so bleiben. Dort ist der Sitz von DRK-Präsidentin Barbara Bosch. Sie ist zugleich Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung in der Landesregierung, aber vertritt auch die Interessen als Eigentümer des ehemaligen Rotkreuzkrankenhauses des DRK-Landesverbandes. Auch diese Doppelfunktion beschäftigte die Bürger.
Petra Olschowski fordert: Stadt muss Wünsche aufgreifen
Grünen-Landtagsabgeordnete Petra Olschowski forderte nach dem Treffen mit Blick auf die engagierten Anwohner und deren Fragen: „Die Wünsche zur Stadtentwicklung und zukunftsfähigen Entwicklung müssen von der Stadt aufgegriffen werden.“ Das Land sieht die Wissenschaftsministerin damit nicht in der Pflicht.
Am 5. Mai ist eine Bürgerbeteiligung im Kursaal geplant. Dafür haben sich bereits 117 Menschen angemeldet. Am 17. Mai findet eine Planungswerkstatt statt, Anmeldung unter MRVBadCannstatt@nexusinstitut.de