Im Vivaldiweg in Botnang plant eine bürgerschaftliche Genossenschaft ein Nahwärmenetz. Nach dem Willen des Gemeinderates sollen möglichst viele ihrem Beispiel folgen. In der Mitte der drei Personen ist Robert Hoening zu sehen. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Die Stadtwerke allein können nicht genügend grüne Wärmenetze bis 2035 bauen. Um private Initiativen wie in Stuttgart-Botnang zu unterstützen, soll es bald Starthilfe geben.

Es kommt nicht allzu oft im Stuttgarter Gemeinderat vor, dass fast alle Fraktionen einen gemeinsamen Antrag an die Stadtverwaltung schicken. Jetzt ist es wieder so weit: Die Stadt soll möglichst zügig ein Konzept entwickeln, so der Antrag, wie man Bürgerinnen und Bürger finanziell und ideell darin unterstützen kann, eigene Nahwärmenetze in Stuttgart aufzubauen.

 

Der Hintergrund ist klar: Die Stadtwerke Stuttgart werden es niemals schaffen, genügend Nahwärmenetze umzusetzen, um die ambitionierten Klimaziele der Stadt zu erreichen, obwohl die Stadtwerke sehr anspruchsvolle Projekte planen. Trotzdem würden diese Pläne mit elf größeren Nahwärmenetzen, so sie denn alle realisiert würden, gerade 40 Prozent dessen liefern, was künftig an grüner Wärme benötigt würde, um bis 2035 klimaneutral zu sein.

Energiezentrale statt Einzelheizung

Bei Nahwärmenetzen muss nicht jeder Wohnungs- oder Hausbesitzer eine eigene Heizung installieren, sondern es wird auf einer freien Fläche eine Energiezentrale gebaut, die die Gebäude im engeren Umkreis mit Wärme versorgt. Diese Wärme wird durch Biomasse, Geothermie, industrielle Abwärme oder auch mithilfe von großen Wärmepumpen produziert.

Im Synergiepark in Stuttgart-Vaihingen ist ein großes Wärmenetz der Stadtwerke geplant. Foto: Landeshauptstadt Stuttgart

Angesichts der großen Herausforderung sind deshalb private und bürgerschaftliche Projekte nicht nur willkommen, sondern sie sind geradezu zwingend für den Erfolg. Fünf Fraktionen – Die Grünen, CDU, SPD und Volt, Die Linke SÖS Plus sowie die Freien Wähler – fordern deshalb ein Konzept, das folgende Bausteine enthalten soll. Projekte sollen vor allem bei der Planung finanziell unterstützt werden. Die Stadt soll helfen, Flächen für die Energiezentrale zu finden. Sie soll die Initiativen mit Know-how versorgen. Und es soll feste Ansprechpartner bei der Stadt und den Stadtwerken geben, damit die Bürger nicht von Pontius zu Pilatus laufen müssen.

„Die Leute vor Ort brauchen Support“, sagt Björn Peterhoff, der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Gemeinderat. Und diese Unterstützung soll die Stadt liefern – man habe bei den Solarscouts gesehen, wie erfolgreich private Initiativen sein könnten. Die Solarscouts sind rund 50 Paten, die sich in Themen der Energiewende auskennen und die ehrenamtlich Bürger informieren, wenn diese sich etwa eine Solaranlage anschaffen wollen.

Peterhoff drängt darauf, dass das Konzept für die Nahwärmenetze bis zu den Haushaltsberatungen im Spätherbst steht, damit es möglichst schnell scharf geschaltet werden kann. Da eine überwältigende Mehrheit des Gemeinderates den Antrag befürwortet, hat die Stadt keine andere Wahl, als das Konzept zu erarbeiten. Von der Verwaltung gebe es aber sowieso positive Signale, so Peterhoff.

Planung bedeutet ein hohes finanzielles Risiko

Vorbild für diese privaten Initiativen ist die Quartiersgenossenschaft „Energie für Botnang“, die derzeit ein Nahwärmenetz namens Vivaldi für mindestens 50 Abnehmer plant. Vorstand Robert Hoening hat den Antrag des Gemeinderats mit angestoßen und ist von dessen Bedeutung überzeugt. Jede private Initiative gehe ein hohes Risiko ein, sagt er, weil man einen sechsstelligen Betrag in die Hand nehmen müsse, um überhaupt erst herauszufinden, ob ein Nahwärmenetz möglich sei. „Die Förderung der Stadt soll dazu dienen, dieses Risiko abzufedern“, sagt Hoening. Er hofft für das Botnanger Projekt auf 75 000 Euro an Unterstützung. Daneben seien aber viele Haushalte in Botnang bereit gewesen, jeweils 500 Euro vorab zu investieren; so seien 15 000 Euro zusammengekommen. Die grundsätzliche „Go or not go“-Entscheidung stehe noch aus.

Daneben erhofft sich Hoening von dem städtischen Konzept, dass klare Regeln aufgestellt werden, wer etwa bei der Vergabe einer Fläche für eine Energiezentrale priorisiert wird. Die Botnanger Initiative sieht sich damit als Wegbereiterin, die es nachfolgenden Interessenten einfacher machen soll.