Braunkohlekraftwerk von Vattenfall – die Meiler stoßen viel Klimagas CO2 aus. Foto: dpa

Deutschland kann sein Klimaziel nach Überzeugung von Experten nur durch die Abschaltung alter Kohlemeiler einhalten. Aber: Die Folgen dürften Verbraucher und Wirtschaft zu spüren bekommen.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) will die Stromkonzerne verpflichten, den CO2-Ausstoß ihrer fossilen Kraftwerke um mindestens 22 Millionen Tonnen zu verringern. Praktisch laufe die Vorgabe darauf hinaus, Kohlemeiler abzuschalten, obwohl Gabriel es den Energieversorgern überlassen wolle, wie sie diese Minderung erzielen. Lesen Sie hier in Fragen und Antworten die Fakten zum Streit um die Kohleenergie.
 

Um was geht es bei dem Streit zwischen Energiekonzernen und Bundesregierung?

Deutschland droht seine Klimaziele zu reißen. Eigentlich will die deutsche Volkswirtschaft im Jahr 2020 ihren Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) gegenüber dem Basisjahr 1990 um exakt 40 Prozent verringert haben. CO2 gilt als Hauptauslöser der Klimaerwärmung. Das deutsche Klimaziel ist aber in Gefahr. Es klafft eine rechnerische CO2-Lücke in der deutschen Klimabilanz.
 

Wie groß ist die CO2-Lücke?

Das ist einer der Streitpunkte. Im Jahr 1990 stieß Deutschland 1250 Milliarden Tonnen CO2 aus. Eine 40-Prozent-Reduktion im Jahr 2020 würde also eine Zielmarke von 750 Millionen Tonnen bedeuten. Eine Prognose des Bundesumweltministeriums kommt aufgrund von Daten des Fraunhofer-Instituts ISI aber zum Schluss, dass ein Weiter-So eine Unterschreitung des 40-Prozent-Ziels von fünf bis acht Prozent reißen würde. In Tonnen ausgedrückt: 2020 wird Deutschland bis zu 100 Millionen Tonnen Klimagas zu viel ausstoßen. Andere Berechnungen etwa vom WWF oder von Germanwatch kommen auf noch viel höhere Werte. Zum Vergleich: Ein sehr effizientes Auto stößt pro Kilometer 100 Gramm CO2 aus.
 

Was soll nun geschehen?

Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hat zunächst bestritten, dass das Klimaziel in Gefahr ist. Jetzt reagiert er aber trotzdem. Eine Vorlage aus dem Bundeswirtschaftsministerium sieht vor, dass allein die Energiekonzerne bis 2020 rund 22 Millionen Tonnen CO2 einsparen müssen. Damit stehen – zusätzlich zu den bereits geplanten Kraftwerksstilllegungen – acht alte Kohlemeiler auf der Kippe. Am Montag trafen sich daher die Chefs der vier großen Energieversorger Eon, RWE, EnBW und Vattenfall mit Gabriel zu Verhandlungen. Was oft vergessen wird: Auch andere Branchen werden herangezogen. 10 Millionen Tonnen CO2 sollen im Verkehr eingespart werden. Auch die Landwirtschaft und Abfallunternehmen müssen reduzieren. Über Energiespar- und Effizienzmaßnahmen sollen bis zu 30 Millionen Tonnen CO2-Ersparnis hereinkommen.
 

Was ist Stand der Dinge in den Verhandlungen mit den Energiekonzernen?

Die Energiekonzerne sollen frei entscheiden dürfen, wie sie ihre Einsparbeiträge zusammenbringen. Sie können ihre Sparbeiträge also auf einzelne Kraftwerke bündeln oder über ihren gesamten Kraftwerkspark gleichverteilen.
 

Was sagt die Opposition und Nichtregierungsorganisationen zu den Plänen?

Bärbel Höhn, die stellvertretende Vorsitzende der Grünen im Bundestag, sagte, die Maßnahmen würden „nicht dazu führen, dass die deutschen Klimaziele eingehalten werden“. Dazu nötig sei die Stilllegung von dreimal so vielen Kohlekraftwerken. Die jetzigen Pläne reichten „bei weitem nicht aus“. Zur Einordnung: Deutschland verfügt derzeit über 120 Kohlemeiler, die rund 300 Millionen Tonnen CO2 jährlich ausstoßen. Der Industrieverband BDI warnte, Kraftwerksstilllegungen schädigten die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie und verteuerten die Strompreise.

Wie reagieren die Konzerne?

Die Energieversorger wehren sich – das müssen sie allein schon aus aktienrechtlichen Gründen – und fordern Ausgleichszahlungen. Die Rede ist von 500 Millionen bis einer Milliarde Euro, je nach Anzahl der Kraftwerke, die vom Netz gehen müssen. Die Kosten sollen auf den Strompreis umgelegt werden. Nach einem „Spiegel“-Bericht drohen sie im Fall einer Nicht-Entschädigung mit Milliardenklagen.