Für Jannik Aulenbacher aus dem Saarland ist die Akzeptanz der Menschen beim klimagerechten Umbau der Umwelt von zentraler Bedeutung. Foto: Krohn/Krohn

Das Projekt des Neuen Europäischen Bauhauses soll den Umbau der EU in Sachen Klimaschutz voranbringen. Doch es gibt massive Startschwierigkeiten.

Natürlich sind die einfachen Kisten zum Draufsitzen aus unbehandeltem Holz gefertigt. Bequem sind sie nicht, aber zweckmäßig und mit Ökosiegel. Also lümmeln sich knapp einhundert Zuhörer vor der Bühne auf dem Mont des Arts im Herzen von Brüssel und lauschen einer Podiumsdiskussion, bei der es darum geht, wie die Kleidermode der Zukunft aussehen soll. Weniger, hochwertiger und umweltfreundlicher lassen sich die Redebeiträge in drei Worten kurz zusammenfassen.

Es sind Begriffe, die an diesem Wochenende bei den zahlreichen Veranstaltungen des Festivals des Neuen Europäischen Bauhauses in unterschiedlichen Zusammenhängen immer wieder fallen. Egal ob es ums Mode, Bauen, Landschaftsarchitektur oder Kunst geht, die EU-Veranstaltung kennt in diesem Fall keine Grenzen. Das ist ihre Stärke, allerdings auch ihre große Schwäche. Es fehlt eine intellektuelle Klammer, der alleinige Wille, eine bessere Zukunft zu gestalten, reicht in diesem Fall nicht aus, um greifbare Ergebnisse zu erzielen.

Kein europäisches Richtlinien-Monster

Diese Orientierungslosigkeit ist allerdings im System angelegt. Als EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vor knapp zwei Jahren das „Neue Europäische Bauhaus“ ins Leben rief, sollte kein europäisches Richtlinien-Monster entstehen. Es wurde ganz bewusst viel Raum für Kreativität gelassen. Die Kommissionschefin buchstabierte nicht aus, was genau sie meinte, wenn sie sich in die Tradition der 1919 von Walter Gropius in Weimar gegründeten Bewegung stellt. Grob geht es darum: Der sogenannte Green Deal - der Umbau der EU-Volkswirtschaft in Richtung Klimaschutz – soll sich unter dem Bauhaus-Begriff auch auf Lebensbereiche wie Architektur, Design und das ganz normale Zusammenleben der Menschen erstrecken.

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In der Startphase erscheint die Initiative inzwischen allerdings eher wie eine typische Brüsseler Kopfgeburt. Es fehlt letztlich der innovative Schwung, weshalb das erste Europäische Bauhausfestival nun als europaweite Ideenbörse in mehreren Städten umgesetzt wurde. Ziel sei es, nach den Worten von Ursula von der Leyen, die Menschen an Bord zu holen und sich als „Graswurzelbewegung“ zu etablieren und die Gesellschaft an der Basis zu verändern. Mehr noch, das Neue Europäische Bauhaus soll „das Herz und die Seele des Europäischen Grünen Deals“ werden, unterstrich die EU-Kommissionspräsidentin.

Eine Plattform für europäische Projekte

Die Konturlosigkeit des Projektes wird auch von Jakob Busse von Colbe kritisiert. Nicht einmal die führenden Köpfe könnten klar erklären, was das Neue Europäische Bauhaus tatsächlich sei, sagt der junge Mann, der an der Universität Halle-Wittenberg über Regionalentwicklung promoviert. Er beobachtete in Brüssel, dass eines der Ziele inzwischen sei, eine Plattform zu bieten, vor allem bereits funktionierende Projekte zu vernetzten und auf diese Weise sichtbar zu machen. „Die ganze Sache muss sich eben noch weiter entwickeln“, glaubt Jakob Busse von Colbe aber an einen Erfolg des Neuen Europäischen Bauhauses.

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Für den jungen Architekten Jannik Aulenbacher bot sich in Brüssel tatsächlich die Gelegenheit, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen. Er arbeitet im Saarland beim Prä-Iba-Gr Werkstattlabor an der Transformation von Lebensräumen etwa durch Städtebau und Landschaftsplanung. Auch er ist vom Ansatz der Graswurzelbewegung überzeugt, weshalb ihm bei seinen Planungen die Akzeptanz der Menschen für einen möglichen Umbau sehr wichtig ist. Aus diesem Grund sieht er Großprojekte, ohne jegliche regionale oder lokale Anbindung äußerst skeptisch. Die Anlaufschwierigkeiten des Neuen Europäischen Bauhauses geben Jannik Aulenbacher in diesem Fall Recht.

Die EU denk in anderen Dimensionen

Dass in der EU allerdings in anderen Dimensionen gedacht wird, bewies dann EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Auf einer Diskussionsveranstaltung im Rahmen des Festivals am Wochenende in Rom forderte sie, nach dem Krieg einen nachhaltigen Wiederaufbau der Ukraine in Angriff zu nehmen. Das Land solle im Geist des Neuen Europäischen Bauhauses aufgebaut werden, sagte die Politikerin. In Brüssel waren sich die Teilnehmer allerdings nicht einig, ob diese Forderung das Projekt tatsächlich voranbringt oder angesichts der gigantischen Herausforderung eher lähmt.