Ein spezielles Erntefahrzeug sammelt auf einem Feld bei Burgstetten Zuckerrüben ein. Foto: dpa

Die Verteilung des Geldes aus der öffentlichen Hand führt bisweilen zu ungewöhnlichen Rivalitäten. Bei dem Vorhaben, Bauern durch Versicherungen vor Klimaschäden zu schützen, könnte der Naturschutz in Leidenschaft gezogen werden.

Stuttgart - Überlegungen des Landwirtschaftsministeriums nach den Frostnächten im April, EU-Gelder für den Versicherungsschutz von Landwirten gegen die Folgen des Klimawandels aufzuwenden, lösen einen Interessenkonflikt aus. Denn aus dem Etat des Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) werden sowohl Naturschutzprojekte finanziert als auch Landwirte unterstützt.

Wenn also keine zusätzlichen Mittel für die Subventionierung von Versicherungen aufgebracht werden, stehen am Ende entweder die Naturschützer oder die Landwirte als Verlierer da. Es geht dabei womöglich um hunderte Millionen Euro, die in vier Jahren neu verteilt werden.

Beim Naturschutzbund Nabu ist man offenbar gewohnt, dass die Mittel knapp sind. „Wir haben uns darauf eingestellt, für die Projekte, die wir unterstützen, zukünftig weniger Geld zur Verfügung haben“, sagt Jochen Goedecke, Landwirtschaftsreferent des Nabu-Landesverbands Baden-Württemberg. Bei allem Verständnis, die der Nabu für die schwierige Lage der Landwirtschaft habe, meint Goedecke: „Die ELER-Gelder sind nicht für die Finanzierung von Versicherungen gedacht.“

Zunächst sei der EU-Fonds dazu da, die nachhaltige Entwicklung des ländlichen Raums zu fördern. „Bei näherem Hinsehen stehen dort noch Schlagwörter wie Wissenstransfer und Innovation, auch Risikomanagement in der Landwirtschaft, aber eben auch Wiederherstellung, Erhalt und Verbesserung von Ökosystemen“, sagt Nabu-Referent Jochen Goedecke.

EU-Geld wird überall dort genutzt, wo es um die Landschaftspflegerichtlinie (LPR) des Landes Baden-Württemberg geht. Dazu gehören die Anschaffung und Montage von Schwalbennisthilfen, Fledermauskästen oder Steinkauzröhren, aber auch die Erhaltung der biologischen Vielfalt in Baden-Württemberg. Diese sei auf die Pflegearbeit von ehrenamtlichen Naturschutzgruppen wie jene des Nabu angewiesen. „Würden die Mittel für Pflegemaßnahmen gekürzt werden, wären die Gruppen gezwungen, einen Teil der Arbeiten für die Artenvielfalt aufzugeben“, sagt Jochen Goedecke. Was für die Ehrenamtlichen zunächst einmal lediglich weniger Naturschutzarbeit bedeuten würde, hätte auf lange Sicht allerdings fatale Folgen für die Artenvielfalt der Biotope. „Bereits der Ausfall einer Mahd kann durch das Aufkommen von Verbuschung sensible Arten verdrängen und im Bestand bedrohen, etwa Wiesenbrüter wie das Rebhuhn“, so Jochen Goedecke weiter.

Definition von „Nachhaltigkeit“ umstritten

Andere EU-Länder verstehen die enge Bindung von ELER an „die nachhaltige Entwicklung des ländlichen Raums“, wie es in den Richtlinien geschrieben steht, offenbar anders. Italien etwa finanziert mit einem Großteil dieser Mittel Versicherungsprämien von Landwirten und gibt dafür in einem Sieben-Jahres-Zeitraum 1,6 Milliarden Euro aus.

Momentan sind alle ELER-Mittel in Deutschland an Projekte gebunden, also werden die Pläne der Naturschützer zumindest nicht unmittelbar betroffen sein. Wenn der ELER-Topf 2021 neu verteilt wird, könnte sich das aber ändern und ebenfalls Geld in den Versicherungsschutz von Bauern fließen. Doch so begeistert wäre die Landwirtschaft davon nicht unbedingt – zumindest nicht ohne Vorbehalte.

Bauern lehnen Umverteilung ab

Denn: Die Flurneuverordnung, die Ausgleichszahlungen an Bauern für benachteiligte Gebiete und andere Maßnahmen, die der Landwirtschaft zugute kommen, werden ebenfalls mit ELER-Mitteln bezahlt und könnten theoretisch ebenfalls gekürzt werden. „Eine Umverteilung lehnen wir strikt ab“, sagt Horst Wenk, stellvertretender Hauptgeschäftsführer beim Landesbauernverband (LBV) in Stuttgart. Geld von „der linken Tasche in die rechte Tasche“ zu stecken sei keine Lösung.

Darum fordert der LBV zusätzliche staatliche Hilfen, um dem immer größer werdenden Druck auf die Landwirtschaft durch die veränderte Wetterlage in Deutschland gegenzusteuern. Die müssten wohl von Bund und Ländern kommen. „Wir schätzen, dass dem Agrarhaushalt durch den Brexit 3,5 Milliarden fehlen – im Jahr“, sagt Horst Wenk. In den vergangenen 30 Jahren sei die Zahl der Bauernbetriebe im Land von 115 000 auf 40 000 gesunken. Wenn Baden-Württemberg nicht wolle, dass immer noch mehr Betriebe schließen, müsse gehandelt werden. Den Vorwurf mancher Kritikern, dass die Landwirtschaft eine große Mitschuld am Klimawandel habe, weil die Rinder Methangas produzieren, weist Horst Wenk vom LBV allerdings entschieden zurück: „Die Landwirtschaft ist hier keineswegs Hauptverursacher, im Gegenteil: Wir fangen viel, was den Klimawandel vorantreibt, auf.“ Wie die Bauern aufgefangen werden sollen, bleibt derweil noch offen.