Kohlekraftwerke befeuern den Klimawandel und müssen schnellstmöglich durch erneuerbare Energien wie die Windkraft ersetzt werden Foto: dpa

Trotz erneuerbarer Energien ist die Kohle weltweit auf dem Vormarsch. Und auch in Baden-Württemberg sind noch neun Kohlekraftwerke in Betrieb. Sie belasten die Luft mit vielerlei Schadstoffen. Klimakiller sind aber auch Methan und Lachgas aus der Landwirtschaft.

Stuttgart - Wenn es um Treibhausgase geht, sind Kühe in Verruf geraten. Zu Recht? Die Tierärztin Anita Idel, Mitbegründerin der Gesellschaft für ökologische Tierhaltung, sieht das differenziert. Richtig ist: Kühe rülpsen Methangas, das 25-mal klimaschädlicher ist als CO2. Im Vergleich mit Autos schneiden Kühe deshalb schlecht ab. Allerdings: Bei Kühen, die auf der Weide gehalten werden, sieht die Bilanz anders aus. Sie halten das Grünland intakt, das in den Graspflanzen und im Boden große Mengen Kohlenstoff bindet. Und sie tragen zur Humusbildung bei: Jede Tonne an zusätzlichem Humus im Boden entlastet die Atmosphäre um mehr als 1,8 Tonnen CO2.

Der Humus, so stellt Anita Idel ebenfalls fest, sorge dafür, dass weniger Kunstdünger eingesetzt werde. Und der ist tatsächlich ein extrem klimarelevantes Problem. Denn wo Methan 25-mal klimaschädlicher ist als CO2, ist es Lachgas (Stickstoffmonoxid) gleich 296-mal. Lachgas wird vor allem in Monokulturen eingesetzt, um ein besonders schnelles Wachstum zu erzielen. So werden 75 Prozent des gesamten Lachgasausstoßes in Europa von der Landwirtschaft verursacht.

„Nicht die Kuh ist also der GAU, sondern landwirtschaftliche Systeme, die unsere Nutztiere vom Grasland aussperren und mit immer eiweißreicherem Kraftfutter aus Mais, Soja und Getreide zu Nahrungskonkurrenten des Menschen machen“, kritisiert Anita Idel. Tatsächlich kommt es bei der Rinderhaltung auf die Art der Landwirtschaft an: Eine intensiv gehaltene Hochleistungskuh in den Industrieländern produziert nämlich fünfmal so viel Methan wie ein extensiv gehaltenes Rind in Entwicklungsländern.

Lachgas bleibt 114 Jahre in der Atmosphäre

CO2 ist mit großem Abstand das am stärksten belastende Treibhausgas. Es macht knapp 90 Prozent der Emissionen aus, während Methan und Lachgas zusammen bei einem Anteil von unter zehn Prozent liegen. Die Stromerzeugung ist für etwa ein Viertel der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Das Heizen, die Warmwasserversorgung und die Mobilität sind ebenfalls große Posten.

Beim Vergleich, wie klimarelevant die einzelnen Treibhausgase sind, spielt auch die Verweildauer in der Atmosphäre eine Rolle. Bei Methan sind das neun bis 15 Jahre, bei Lachgas 114 Jahre und bei CO2 sogar 120 Jahre. In Deutschland entfielen 2013 88,2 Prozent der freigesetzten Treibhausgase laut Umweltbundesamt auf Kohlendioxid, 6,2 Prozent auf Methan, 4,0 Prozent auf Lachgas und 1,6 Prozent auf die F-Gase (fluorierte Kohlenwasserstoffe). Beim Klimagipfel in Paris wurde wieder deutlich, dass in Deutschland vor allem Kohlekraftwerke den Klimawandel fördern. Zwar gibt es hierzulande keine Braunkohlenutzung, die nicht nur klimaschädlich ist, sondern auch viel Fläche frisst. Aber immer noch sind neun Steinkohlekraftwerke im Land in Betrieb.

2014 wurden nach Angaben des Statistischen Landesamts 29,5 Prozent des in Baden-Württemberg produzierten Stroms aus Steinkohle erzeugt. Sie ist damit nach der Kernenergie mit 35,5 Prozent im Jahr 2014 der zweitgrößte Energieträger im Strommix des Landes. Erst an dritter Stelle standen im Jahr 2014 die erneuerbaren Energieträger mit 24,4 Prozent an der Bruttostromerzeugung.

Bis 2050 sollen erneuerbare Energien 80 Prozent ausmachen

An den Gesamtemissionen der einzelnen Schadstoffe haben Kohlekraftwerke unterschiedliche Anteile: Bei den landesweiten CO2-Emissionen sind sie mit 24 Prozent beteiligt, an den Stickoxid-Emissionen mit zehn Prozent, am Feinstaub nur mit einem Prozent. Allerdings liefern Kohlekraftwerke 46 Prozent aller Schwefeloxide im Land. Mit Rauchgasentschwefelungsanlagen werden Schwefeldioxid und Schwermetalle gefiltert, weiter sind Staubabscheider eingebaut. NOx-Emissionen werden über Entstickungsanlagen gemindert.

Doch wann wird Baden-Württemberg ohne Kohlekraftwerke auskommen? „In unserem Energie- und Klimaschutzkonzept haben wir uns vorgenommen, im Jahr 2050 80 Prozent unseres Energiebedarfs durch erneuerbare Energien zu decken“, teilt das Umweltministerium dazu unserer Zeitung mit. „Paris gibt uns starken Rückenwind, die erneuerbaren Energien weiter auszubauen, die Energieeffizienz weiter zu steigern und die Infrastruktur für Stromtransport und Speicherung bereitzustellen.“ Je schneller dies bewerkstelligt werden könne, desto eher würden Kohlekraftwerke verzichtbar. Ein konkreter Zeitpunkt für den Kohleausstieg lasse sich aktuell aber nicht benennen.

Das baden-württembergische Umweltministerium beurteilt den Klimagipfel von Paris und seine Ergebnisse als wichtiges Etappenziel für die Weltklimaverhandlungen: „Die Bundesregierung und auch die EU stehen in der Verantwortung, sorgfältig die Beschlüsse auszuwerten und wo nötig nachzusteuern. Das betrifft beispielsweise die von uns kritisierte Braunkohlereserve, über die die schmutzigsten Kraftwerke eine Laufzeitverlängerung erhalten haben.“

Balance zwischen Klimaschutz und Versorgungssicherheit

Das Land sieht sich mit dem Klimaschutzgesetz und dem integrierten Energie- und Klimaschutzkonzept bis 2020 gut aufgestellt. Auf der Basis des bis zum Sommer zu erwartenden Klimaschutzplans des Bundes will Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) die Klimaschutzziele für 2030 weiterentwickeln. „Das machen wir also nicht im Alleingang, sondern wir spielen dabei im Konzert mit dem Bund und den anderen Ländern wie auch mit unseren europäischen Partnern, schon weil wir eine vernünftige Balance halten müssen zwischen Klimaschutz auf der einen Seite und Versorgungssicherheit und bezahlbaren Energiepreisen auf der anderen Seite.“