Einsätze wie diesen der Feuerwehr in Affalterbach-Wolfsölden vor drei Jahren dürfte es in Zukunft häufiger geben. Foto: Werner Kuhnle

Jahrhundertregen war einmal. Mittlerweile werden fast jedes Jahr Orte im Landkreis von extremen Niederschlägen getroffen, die immense Schäden anrichten. Die Kommunen müssen handeln.

Im Juli 2009 wurde durch einen Starkregen Korntal-Münchingen überflutet, ein Feuerwehrmann kam ums Leben. Ein Jahr später nahezu dasselbe Bild in Ditzingen , auch wenn dort zum Glück keine Menschenleben zu beklagen waren. Milliardenschäden waren die Folge. Im Juni 2018 war die Marktstraße in Steinheim an der Murr überschwemmt, 2019 entstanden im Affalterbacher Ortsteil Wolfsölden nach heftigen Regengüssen enorme Schäden. Letztes Jahr waren unter anderem Kornwestheim und Tamm betroffen, in diesem Frühjahr traf es Mundelsheim, Großbottwar und Oberstenfeld besonders heftig. Extreme Regenfälle nehmen zu und können binnen kürzester Zeit nicht nur Bäche und Flüsse, sondern auch Straßen in reißende Gewässer verwandeln. Die Kommunen müssen handeln.

Viele verfolgen dabei die Idee einer Schwammstadt. Ein Begriff, der nicht genau definiert ist, aber sofort Bilder im Kopf entstehen lässt. Wie ein Schwamm sollen möglichst viele Flächen im Ort Wasser aufnehmen und zeitverzögert – am besten durch Verdunstung, die gleichzeitig die Luft abkühlt – wieder abgeben. So wird zumindest an manchen Stellen ein natürlicher Wasserkreislauf wieder hergestellt. Doch immer mehr Flächen werden bebaut und damit versiegelt. Was also tun?

Konzepte sind vor allem für Neubaugebiete geeignet

Wie andernorts werden auch im Kreis Ludwigsburg Pläne entwickelt, um Städte und Gemeinden trotz zunehmender Flächenversiegelung auf extreme Wassermengen in kurzer Zeit vorzubereiten. Viele haben dazu ein Starkregenrisikomanagement etabliert, das zeigt, wo sich im Fall heftiger Niederschläge das Wasser vorzugsweise sammelt und wo es eventuell zurückgehalten oder umgeleitet werden kann.

Je nach Bebauungsdichte sind die Möglichkeiten allerdings begrenzt, sagt etwa Steinheims Bürgermeister Thomas Winterhalter. „In der Ortsmitte ist es schwierig, Retentionsräume zu schaffen. Und auch an der Leistungsfähigkeit von Kanälen lässt sich nicht viel ändern – im Boden liegt halt schon viel.“ Solche Maßnahmen seien auch extrem teuer. Neubaugebiete hingegen würden schon von vornherein anders geplant. „Im Baugebiet Scheibenäcker beispielsweise schaffen wir einen Retentionsraum in der Klinge; dort wird das Oberflächenwasser gesammelt und läuft gedrosselt in die Bottwar ab.“ Oberflächenwasser müsse vom Schmutzwasser abgetrennt werden und dürfe gar nicht erst in die Kanäle gelangen.

„Ohne das bekommt man heute kein Neubaugebiet genehmigt“, betont der Steinheimer Tiefbauamtsleiter Michael Knöpfle. Auch in Kornwestheim werde das schon in vielen Wohnquartieren, etwa im Wohnpark Neckarpark oder in Pattonville, praktiziert, sagt Sandra Hennig von der Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit. „Das Schmutzwasser fließt in die Kläranlage, das Regen- und Oberflächenwasser versickert ortsnah und wird dem Kreislauf wieder zugeführt.“ Zudem müsse bei Neubauvorhaben, bei denen mehr als 800 Quadratmeter neu versiegelt würden, das Regenwasser auf dem Grundstück zurückgehalten und gedrosselt abgeführt werden.

Regenwasser soll zurück in den Kreislauf

Große Bedeutung räumt man auch in Ludwigsburg dem Thema Schwammstadt ein. „Wir müssen auf jeden Fall die Möglichkeiten zur Rückhaltung von Regenwasser im Siedlungskörper nutzen“, erklärt Baubürgermeisterin Andrea Schwarz. Beispielsweise durch Entsiegelung wie die des ehemaligen Walcker-Parkplatzes, oder durch klassische Regenrückhaltebecken, die sich häufig unterirdisch befinden. „Und bei großen Bauvorhaben wie dem Möbelhaus nahe der Frankfurter Straße werden riesige Zisternen verbaut, durch die das Wasser langsam in den Kanal abgegeben wird“, ergänzt der Tiefbau-Bürgermeister Sebastian Mannl. Dachbegrünungen könnten ebenfalls einiges an Wasser speichern, ebenso wie Grünstreifen entlang der Straßen. Ähnliches verfolgt man auch mit einem Klimaanpassungskonzept in Kornwestheim.

Gefahrenkarten zeigen, wo das größte Risiko ist

Korntal-Münchingen und Ditzingen haben nach den Hochwasserkatastrophen mit anderen Gemeinden entlang der Glems die bundesweit wohl ersten sogenannten Starkregengefahrenkarten erstellen lassen, die als Planungsgrundlage für Neubauvorhaben und Risikovorsorge dienen. Auch in Mundelsheim soll es eine solche Karte geben, die nach dem Hochwasser im Mai auf aktuellen Daten fußt. Besonders wichtig ist das im Zusammenhang mit der geplanten Versiegelung von etwa 20 Hektar oberhalb des Dorfes für ein neues Gewerbegebiet. Hätte das schon existiert, räumte kürzlich selbst Thomas Kiwitt vom Verband Region Stuttgart als Befürworter ein, wären die Folgen für die Neckargemeinde wohl noch schlimmer gewesen. Allerdings könne man das technisch beherrschen, etwa durch Zisternen, begrünte Dächern, Grünstreifen und Regenrückhaltebecken. Einen entsprechenden Bebauungsplan zu erstellen, sei Aufgabe der Gemeinde. „Man kann nicht darauf vertrauen, dass der Investor das regelt.“ Mundelsheims Bürgermeister Boris Seitz erklärt, mit dem kürzlich beschlossenen Regenrückhaltebecken könne laut aktuellen Berechnungen aus der Starkregengefahrenkarte sogar eine Verbesserung für den Ort erzielt werden.

Die Kommunen betonen aber auch, dass die Verwaltungen nicht zuletzt aus Kostengründen nicht alle notwendige Maßnahmen umsetzen könnten. Auch Hausbesitzer seien gefragt – beispielsweise mit Flächen, auf denen Wasser versickern könne, mit begrünten Dächern oder mit Rückstausicherungen, die das Eindringen von Wasser aus dem Kanal ins Gebäude verhindern.