Die Kälte hat New York (links) fest im Griff, derweil führt der Rhein – hier bei Köln – Hochwasser. Foto:  

Das Schneechaos in den USA und das Hochwasser in Deutschland hängen eng miteinander zusammen.

Stuttgart - Die Gegensätze auf beiden Seiten des Atlantiks könnten derzeit nicht größer sein. So wird die Ostküste der USA von einer ungewöhnlichen Kältewelle mit rekordverdächtigen Minustemperaturen bis weit in den Süden hinab heimgesucht. Sogar in Florida wurde der erste bedeutende Schneefall seit 29 Jahren verzeichnet. In Westeuropa ist es dagegen ungewöhnlich milde, aber auch nass und stürmisch. Entwurzelte Bäume blockieren bis heute Bahnstrecken im Schwarzwald, der Dauerregen führte zu Hochwasser.

Inzwischen entspannt sich hierzulande die Lage. Seit Montagnachmittag sinken die Pegelstände der deutschen Flüsse wieder. In Köln wurden rund 8,80 Meter als Höchststand erreicht, was alle zwei bis fünf Jahre vorkomme, wie Rafael Vedder von der Kölner Hochwasserschutzzentrale erläutert. Noch ein bisschen länger müssen sich die Amerikaner mit der Kälte und deren Folgen herumschlagen. So überschwemmte jetzt Wasser aus einem wegen der Kälte gebrochenen Rohr einen Teil des New Yorker John-F.-Kennedy-Flughafens und verstärkte das ohnehin schon gewaltige Flugchaos. Doch auch in den USA wird es wieder wärmer – im Laufe der Woche seien in Florida sogar mehr als 25 Grad möglich, prognostizieren die Wetterfrösche.

Die Großwetterlage ist nicht ungewöhnlich

Obwohl an der Ostküste der USA in den vergangenen Tagen mancherorts Rekord-Minustemperaturen erreicht wurden, so ist doch diese Großwetterlage nicht ungewöhnlich. Anfang 2014 etwa war es an der US-Ostküste ebenfalls bitterkalt, während auf der anderen Atlantikseite in Großbritannien eine Flutwarnung die nächste jagte. Heute wie damals ist der sogenannte Jetstream die wesentliche Ursache. Diese in großer Höhe verlaufende westliche Luftströmung windet sich derzeit nicht kreisförmig um die Arktis, sondern in mehr oder weniger wellenförmigen Ausbuchtungen. Dabei hat sich die Welle auf der Westseite Nordamerikas weit in Richtung Arktis verlagert, weshalb dort warme Luft von Süden nach Norden strömt. Daher war es dieser Tage ungewöhnlich warm in Alaska – in der Hauptstadt Anchorage wurden bis zu plus sieben Grad gemessen, ein neuer Wärmerekord für Januar. Sozusagen zum Ausgleich beult sich der Jetstream an der Ostseite von Nordamerika weit nach Süden aus und transportiert im Gefolge eiskalte Polarluft in südliche Gefilde. Dieser Zustand kann, wie man derzeit sieht, viele Tage anhalten.

Die krassen Temperaturgegensätze auf der Westseite des Atlantiks haben auch Folgen für Europa: Sie sind der Geburtsort für die vielen stürmischen und regenreichen Tiefdruckgebiete, die derzeit entlang des Jetstreams nach Westen jagen. Dabei halten sie kalte Polarluft weit im Norden. Zudem haben sie die kontinentale Kaltluft in Europa weit nach Osten abgedrängt. Daher bleibt es auch in den kommenden Tagen hierzulande für Januar relativ mild.

Wenig verwunderlich ist, dass die derzeitige Kältewelle im Osten der USA die politische Diskussion über den vom Menschen verursachten Klimawandel angeheizt hat – ungeachtet der Tatsache, dass in den ersten Januartagen im Nordwesten von Kanada und den USA sowie in Europa rekordverdächtig warme Januartemperaturen zu verzeichnen waren. Für die Experten des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) gibt es dabei einen Zusammenhang zwischen der besonders raschen Erwärmung der Arktis und den offenbar zunehmenden Kälteeinbrüchen in den USA und womöglich auch in Europa: Die steigenden Temperaturen beeinflussen die polaren Windverhältnisse, den sogenannten Polarwirbel. Dieser hält sozusagen die kalte Luft hoch im Norden. Schwächelt der Wirbel jedoch, wirkt sich dies offenbar auch auf den Jetstream aus, der sich stärker und häufiger als früher ausbeult. Dem PIK zufolge ist der größte Teil dieser Veränderungen erst in den vergangenen 40 Jahren aufgetreten.

Mehr extreme Wetterlagen

Noch sind sich die Klimaexperten nicht einig, welche globalen Folgen die vergleichsweise schnelle Erwärmung der Nordpolgebiete hat. Wichtig für die Klimaentwicklung ist dabei auch die Tatsache, dass sich Landmassen schneller als Ozeane erwärmen. Es deutet aber vieles darauf hin, dass die größer werdenden Nord-Süd-Windungen des Jetstreams auch andere extreme Wetterlagen mit sich bringen: Als Beispiele nennen die PIK-Experten die anhaltende kalifornische Dürre, die schlimmen Überschwemmungen 2010 in Pakistan und die Hitzewelle 2003 in Europa.

Für die Klimaforscher ist offenkundig, dass solche Extremereignisse in jüngster Zeit häufiger auftreten, als durch die direkten Folgen der Klimaerwärmung zu erwarten wäre. Die zunehmende Wellenbildung des Jetstreams zusammen mit anderen Veränderungen großräumiger Luftströmungen könnten hier die Ursache sein. Aber diese Erkenntnis ändert nichts an der Tatsache, dass der zunehmende Ausstoß von Treibhausgasen die treibende Kraft hinter all diesen Entwicklungen ist.

Bomben-Zyklone

Zyklone
Der meteorologische Fachbegriff für ein sogenanntes dynamisches Tiefdruckgebiet lautet Zyklone. Diese entsteht, wenn die Luft in tieferen Schichten der Atmosphäre zusammenfließt und in der Höhe wieder auseinanderströmt. Solche Zyklonen bilden sich an polaren Kaltluftzonen und beziehen ihre Kraft aus den großen Temperaturgegensätzen zwischen eisiger Polarluft und subtropisch warmer Südluft. Auf der Nordhalbkugel dreht sich eine solche Zyklone gegen den Uhrzeigersinn.

Bomben-Zyklone In den vergangenen Tagen haben laut Deutschem Wetterdienst (DWD) die US-Medien den Begriff Bomben-Zyklone (englisch bomb cyclone) geprägt. Die „Wetterbombe“ wie auch die „Bombogenese“ gibt es dagegen schon seit 1980. Gemeint ist eine besonders starke und schnelle Entwicklung eines Tiefdruckgebiets, auch rapide Zyklogenese genannt. Per Definition müsse dazu der Luftdruck in den mittleren Breiten innerhalb von 24 Stunden um 24 Hektopascal abfallen, so der DWD. Zudem müssten die Temperaturunterschiede „überaus stark ausgeprägt sein“. Bekanntes Beispiel für eine solche „Wetterbombe“ ist der Sturm Lothar, der vor der Küste Neufundlands entstand und an Weihnachten 1999 hierzulande große Schäden anrichtete.

Zyklon
Im deutschen Sprachgebrauch handelt es sich bei einem Zyklon um einen Wirbelsturm im Indischen Ozean oder in der Südsee. In den USA heißt er Hurrikan.

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