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Steigt der Meeresspiegel, tragen wandelbare Korallenriffe dazu bei, dass das Taku-Atoll nicht versinkt. Bislang wächst die Insel sogar, obwohl der Meeresspiegel kontinuierlich steigt.

Bremen - Verzweifelt überlegen die wenigen Hundert Einwohner des Takuu-Atolls, ob sie ihre Heimat wegen des Klimawandels verlassen müssen. In absehbarer Zukunft könnte das Atoll vom steigenden Meeresspiegel verschluckt werden, vermuten manche Forscher. Ob die Inseln wirklich in den Wellen der Südsee versinken, hat bisher niemand genau überprüft.

Nachgeholt hat das Thomas Mann vom Leibniz-Zentrum für Marine Tropenökologie in Bremen : „Die Küste ist sehr beweglich und lagert sich sehr schnell um“, beschreibt er die Ergebnisse seiner Auswertung von Luftbildern und Satelliten-Aufnahmen, die er in den Fachzeitschriften „Geomorphology“ und „Journal of Coastal Research“ veröffentlicht hat. Dabei schrumpfen die Inseln aber nicht, vielmehr nahm die von Pflanzen bewachsene Fläche zwischen 1943 und 2012 sogar um drei Prozent zu. Und das, obwohl der Meeresspiegel bereits seit rund hundert Jahren steigt und dieser Prozess sich seit den 1990er Jahren deutlich beschleunigt hat.

Wenn das Takuu-Atoll trotzdem nicht untergeht, liegt das an der enormen Dynamik der Küsten. Diese wiederum beginnt bei den meisten Atollen mit einem Vulkanausbruch am Grund des Meeres. Liefert die Eruption genug Lava, wächst der Kegel dieses Vulkans irgendwann über den Meeresspiegel. An den Unterwasserhängen dieser neu entstandenen Inselberge wachsen in den warmen Regionen der Ozeane bald Korallen. Erlischt der Vulkan, wächst er nicht mehr weiter. Jetzt waschen Regenfälle mit der Zeit immer mehr Material vom Krater und von den Hängen ab, schwemmen es nach unten. An den Küsten nagen die Wellen, der erloschene Vulkan schrumpft und versinkt irgendwann unter den Wellen.

Korallen wollen ans Sonnenlicht

Während dieser Entwicklung wachsen die Korallenriffe an den Unterwasserhängen nach oben. Schließlich brauchen die winzigen Algen in ihrem Inneren Sonnenlicht, das den Korallen Energie liefert. Da die Sonnenstrahlen mit der Tiefe schwächer werden, leben die Korallen der Tropen nur in den obersten Wasserschichten. Dort wiederum trifft die Riffe auch die Wucht tropischer Stürme und zerstört immer wieder große Korallenstöcke. Der Schutt dieser zerstörten Lebensgemeinschaft wird zunächst als Korallensand an den Vulkanhängen angeschwemmt. Im Riff wachsen neue Korallen und schließen die vom Sturm geschlagenen Lücken. Verschwindet der Vulkan völlig unter Wasser, bleibt der Kraterrand sichtbar, weil dort die Korallen weiter nach oben wachsen.

Ein Atoll mit einem Ring aus Korallenriffen ist entstanden. Dort häufen an einigen Stellen Wind und Wellen mehr Sand als an anderen Ecken an und ein kleines Stück flaches Land wächst aus dem Wasser. „Dort landen auch Vögel, hinterlassen mit ihrem Kot den einen oder anderen Samen, später wachsen dort auch Palmen“, schildert Thomas Mann. „Motu“ heißen nach dem polynesischen Wort für Insel diese trockenen Flecken, deren höchste Stelle bei einem normalen Hochwasser oft gerade noch einen Meter über den Wellen liegt.

Vor den Atoll-Inseln aber wachsen nach wie vor die Korallenriffe mit den sonnenhungrigen Algen in ihrem Inneren. Genau wie an den Hängen des versunkenen Vulkans versuchen die Riffe, immer in den obersten Wasserschichten zu bleiben. Während in tieferen Bereichen die Korallen langsam absterben, halten sie oben mit dem steigenden Meeresspiegel Schritt. „Das Ökosystem Korallenriff kann so jedes Jahr acht bis zehn Millimeter in die Höhe wachsen“, sagt Thomas Mann. Das sollte reichen, um mit dem seit 1993 um durchschnittlich 3,2 Millimeter im Jahr steigenden Meeresspiegel Schritt zu halten.

Zieht ein Sturm auf, brechen die Korallenriffe vor den Atoll-Inseln die Wellen und schützen so die dahinter liegenden Motus mit ihren Siedlungen. Der dabei entstehende Schutt wird als Korallensand an den Stränden angeschwemmt und kann so die Landflächen langfristig sogar wachsen lassen, wie die Satellitenbilder zeigen.

Nachschub an Korallensand füllt Verluste auf

Im Jahr 2008 aber nimmt die Landfläche plötzlich ab. In dieser Zeit traf eine außergewöhnliche Sturmflut die Küsten und trug viel Land ab. Obendrein ist die Wirtschaftskraft der meisten Südsee-Inseln gering, und nicht alle zerstörten Gebäude und Straßen können wieder aufgebaut werden. Solche Ereignisse prägen sich daher in das Gedächtnis der Inselbewohner tief ein. Der Gedanke bleibt hängen, dass die Motus im steigenden Meeresspiegel versinken. Tatsächlich aber füllt der Nachschub von Korallensand aus dem Riff die Verluste auf. Nur dauert das lange und bleibt daher viel weniger im Gedächtnis hängen.

Um sich vor solchen Fluten zu schützen, bauen die Einwohner an den flachen Küsten ihrer Insel niedrige Deiche aus Steinen und Müll. Von den Stränden karren sie Sand ins Innere des Motu, um dort winzige Hügel von wenigen Zentimetern Höhe aufzuschütten, auf denen ihre Häuser vor den Fluten geschützt sind. Solche Baumaßnahmen aber können leicht zu einem Verlust an Landfläche führen. So fehlt nicht nur der weggekarrte Sand am Strand, sondern holen die Fluten von den steileren Wänden des Deiches viel mehr Land als von der vorher flacheren Küste. Obwohl dieser Prozess mit dem steigenden Meeresspiegel wenig zu tun hat, bleibt doch der Eindruck hängen, „wenn die Küsten verschwinden, sind wir bald im Meer versunken“.