Bürgermeister Ralf Barth (rechts) und Bauamtsingenieur Matthias Göser kümmern sich um die Denkendorfer Quellen. Foto: /Bäßler

Aus defekten Erdleitungen verschwinden ständig riesige Mengen Trinkwasser. Mancher Gemeinde scheint das egal zu sein – nicht aber Denkendorf.

Die Gemeinde Denkendorf in der Nähe von Esslingen, 11 300 Einwohner stark, könnte auch anders. Sie bezieht per Vertrag Trinkwasser von der Bodensee-Wasserversorgung. Doch daneben pflegt sie ihre örtlichen Quellen, bereitet das kalkhaltige und zuweilen stark nitratbelastete Wasser über eine moderne Filteranlage auf und mischt es mit dem Bodenseewasser, bevor die Haushalte versorgt werden. „Wasser ist ein knappes Gut“, sagt der Bürgermeister Ralf Barth, 35. Die lokalen Zusatzmaßnahmen kosten viel Geld, doch im Gemeinderat herrsche Konsens über die Aufwendungen.

 

Das ist ganz nach Wunsch und Willen des Landes Baden-Württemberg. Im Jahr 2019 startete das Umweltministerium einen „Masterplan Wasserversorgung“. Klimaprognosen bis 2025 zeigten, heißt es, dass in manchen Teilen des Landes um bis zu 20 Prozent weniger Grundwasser neu gebildet werde. Heißere, trockenere Sommer erhöhten zugleich den Wasserbedarf, gerade auch in der Landwirtschaft. In Tranchen sollen bis nächstes Jahr alle Städte und Gemeinden Daten über ihre Versorgungsstrukturen und Verbräuche geliefert haben – plus Verbrauchsprognosen für die Zukunft. Am Ende soll es lokale „Handlungsempfehlungen“ geben. Der Masterplan sei „voll im Zeitplan“, teilt eine Ministeriumssprecherin mit.

Zweifel am Zeitplan des Landes

Experten wie Bernhard Röhrle, Sprecher der Landeswasserversorgung Baden-Württemberg, begrüßen den Plan. Doch Röhrle zweifelt an der Zeitvorgabe und teilweise der Datenqualität. Viele Kommunen, weiß er, hätten nämlich „keinen Überblick“, hätten nie Daten in Sachen Wasserbezug erhoben – und könnten folglich auch keine Zukunftsprognosen liefern. Das gelte nicht nur für Schüttmengen örtlicher Quellen, sondern auch für die Verlustraten im Leitungsnetz.

Lochfraß in jahrzehntealten, gusseisernen Erdleitungen lässt flächendeckend ständig Wasser versickern. Bundesweit verschwinden laut dem Berliner Verband kommunaler Unternehmen rund acht Prozent des Trinkwassers zwischen Quelle und Endabnehmer. „Das können örtlich aber auch bis zu 25 Prozent und mehr sein“, weiß Röhrle. Bei einem statistischen Pro-Kopf-Verbrauch von 125 Litern täglich – die Verbräuche in Landwirtschaft und Industrie eingerechnet – handelt es sich um riesige Mengen.

Manche lassen es plätschern

Genau hier könnten alle Kommunen auch dann Wasser sparen, wenn sie keine eigenen Quellen haben. Die Fehlmengen zwischen Einkauf und Verkauf kann jedes Rathaus leicht ermitteln. Doch Reparaturen des Leitungsnetzes unterbleiben offenbar teilweise bewusst. Grund könnte der geringe Preis für Trinkwasser sein, aktuell liegt er für südwestdeutsche Privathaushalte bei durchschnittlich 2,40 Euro pro tausend Liter. Teure Leitungsreparaturen lassen sich über den Wassercent kaum hereinholen.

Auch in diesem Punkt zeigt Denkendorf besondere Initiative. Laut dem Bauamtsleiter Matthias Göser liegt der Verlust in der Gemeinde bei zwei bis fünf Prozent der Gesamtwassermenge. Die Gemeindefläche mit ihren 40 Kilometern Rohrleitungen ist in neun kompakte Versorgungszonen mit eigenen Messpunkten aufgeteilt worden. Auch „Minilecks“ fallen so rasch auf und können aufgespürt werden, zum Beispiel mit Spezialmikrofonen. Anstatt die Erde aufzugraben, sei es oft möglich, Kunststoffschläuche in poröse alte Metallrohre einzubringen, sagt Bürgermeister Barth.

Unaufhaltsamer Rost der Jahrzehnte

Auch die beiden großen Fernwasserversorger des Landes kämpfen mit dem Rost der Jahrzehnte. Nach Angaben der Bodensee-Wasserversorgung treten jährlich rund 15 Rohrschäden im 1700 Kilometer langen Leitungsnetz auf. Zwölf Kilometer, so die ständige Planung, müssen Jahr für Jahr komplett ersetzt werden. Der Zweckverband Landeswasserversorgung, der vom württembergischen Donauried aus liefert. spricht ebenfalls von einem Millionenaufwand für die ständige Erneuerung von Rohren, Filtern oder Messanlagen. Sprecher Röhrle warnt vor dem Glauben, der Trinkwassermangel der Zukunft könne allein dadurch gelöst werden, die Fernleitungen einfach weiter aufzudrehen. „Seit den 70er Jahren werden die unteren Grenzwerte des Grundwassers bei uns immer öfter erreicht.“

Bei der Bodensee-Wasserversorgung wiederum bereitet man sich auf höhere Pumpmengen vor. Im Jahr 2041 soll ein zweites See-Wasserwerk neben Sipplingen am nördlichen Überlinger See fertig sein (Projekt Pfaffenberg). Bis dahin, so der Verband, werde der Wasserpreis „schrittweise erhöht“.

Begehrlichkeiten auch in Bayern

Bodensee
 Auch das Land Bayern arbeitet an Zukunftsplänen in Sachen Wasserversorgung. Dazu gehört die Überlegung, ebenfalls Trinkwasser vom Bodensee quer durchs Land bis an die tschechische Grenze zu pumpen. Eine Landesstudio dazu läuft.

Hygiene
 Der Begriff Trinkwasser ist insofern irreführend, als dass das meiste Nass aus den Wasserhähnen keineswegs getrunken wird. Der Großteil wird für gewerbliche und hygienische Zwecke verbraucht.