Der Klimaschutzaktivistin Luisa Neubauer ist die EU-Taxonomie zu lax. Foto: dpa/Marek Majewsky

Atomkraft und Erdgas wurden als nachhaltig eingestuft – gleichzeitig fürchten unter anderem die Maschinenbauer infolge der Taxonomie steigende Finanzierungskosten.

Im neuen Jahr wird es für Tausende Unternehmen ernst: Sie müssen dann haarklein Rechenschaft darüber ablegen, wie sie es mit dem Klimaschutz halten. Bislang reichte eine Klassifizierung der eigenen Aktivitäten gemäß der EU-Taxonomie, 2023 muss aber die Erfüllung der darin festgelegten Bewertungskriterien nachgewiesen werden.

Die Taxonomie verfolgt das Ziel, ein EU-weites Klassifizierungssystem für die Bewertung ökologischer Nachhaltigkeit von wirtschaftlichen Aktivitäten zu etablieren. Dies soll das Vertrauen bei Investoren stärken, grüne Investitionen transparenter und attraktiver machen und Anleger vor Greenwashing schützen.

Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA) sieht auf viele Mitglieder Schwierigkeiten zukommen – auch wenn ihre Anlagen und Prozesse zur Minderung von Treibhausgasemissionen ihrer Kunden beitragen. VDMA-Nachhaltigkeitsexpertin Judith Herzog-Kuballa erklärt das Problem folgendermaßen: Da die meisten Maschinenbauer keine Massenprodukte herstellten, gebe es für den Treibhausgasausstoß ihrer Erzeugnisse keine festen Grenzwerte, unterhalb denen eine Anlage als klimafreundlich eingestuft werden könne.

Damit die Aktivitäten von Maschinenbauern dennoch als Taxonomie-konform anerkannt werden könnten, bedürfe es einer Zertifizierung, dass die jeweilige Anlage die beste – also am wenigsten klimaschädliche – Alternative auf dem Markt darstelle. „Das ist schwierig, weil viele der großen Produktionsanlagen mehr oder weniger einzigartig sind. Zwar gibt es international meist einige Konkurrenten, aber ein Vergleich der Anlagen ist eben nicht so einfach wie beispielsweise bei Autos“, sagt Herzog-Kuballa.

Banken achten zunehmend auf Nachhaltigkeitsberichte

Wer durchs Taxonomie-Raster fällt, muss künftig möglicherweise höhere Kreditzinsen zahlen als die Konkurrenz. Schließlich soll die Taxonomie es Banken und anderen Geldgebern erleichtern, grüne Anlagemöglichkeiten zu identifizieren.

Außerdem sind schon die Offenlegungspflichten an sich ein Kostenfaktor. Zunächst treffen sie zwar nur börsennotierte Unternehmen mit mindestens 500 Mitarbeitern sowie größere Versicherungen und Banken. Ab 2026 müssen entsprechende Berichte aber auch Firmen vorlegen, die mehr als 250 Mitarbeiter beschäftigen oder einen Jahresumsatz von mindestens 40 Millionen Euro erzielen. Nach Schätzung der EU-Kommission wird damit die Zahl der von den Berichtspflichten erfassten Firmen europaweit von rund 12 000 auf 50 000 steigen.

Auch Auftraggeber schauen auf die Taxonomie

Praktisch wirke sich die Taxonomie schon viel früher auch auf kleinere Mittelständler aus, meint Herzog-Kuballa. So müssten sich Zulieferer auf entsprechende Fragen ihrer Auftraggeber vorbereiten: „Wenn ein Autobauer die angebotene Maschine nicht als Taxonomie-konform einstufen kann, besteht für ihn weniger Anreiz, sie zu kaufen.“

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) wünscht sich eine Vereinfachung der Berichtspflichten – und Ausnahmen für Unternehmen, die kaum Emissionen produzieren. „Dienstleister oder den Einzelhandel beispielsweise nach der Büronutzung oder den Energiequellen fürs Heizen zu fragen würde aus unserer Sicht zu weit gehen“, sagt Rainer Kambeck, Leiter des DIHK-Bereichs Wirtschafts- und Finanzpolitik für den Mittelstand. Hier könne man vieles über Branchenstandards regeln.

Die Wirksamkeit ist umstritten

Noch grundsätzlicher fällt die Kritik von Stefan Kooths aus. Der Vizepräsident des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel meint: „Die Taxonomie ist ein gefundenes Fressen für Unternehmensberater und Banken. Für die Firmen ist sie eine Belastung – selbst für diejenigen, die längst nachhaltig sind.“ Gleichzeitig sei völlig unklar, ob Unternehmen aufgrund etwaiger Finanzierungsvorteile tatsächlich ihren Treibhausgasausstoß verringerten. „Eine Ausweitung der CO2-Bepreisung wäre ein viel besseres Instrument.“

Der EU-weite Handel mit CO2-Zertifikaten erfasst bislang aber nur Industrieanlagen, Kraftwerke und den Luftverkehr. CO2-Preise für den Sprit- und Energieverbrauch wie hierzulande gibt es bislang nur in wenigen Staaten.

Ausweitung auf zusätzliche Umweltziele und Soziales geplant

„Ich finde es gut, wenn man mehrere Instrumente parallel nutzt“, meint deshalb der Hamburger Wirtschaftsprofessor Alexander Bassen. Zumal es Umweltziele gebe, die sich über den CO2-Preis nicht erreichen ließen. Als Beispiele nennt Bassen den Schutz von Wasserressourcen oder den Erhalt der Artenvielfalt. Bei der EU-Taxonomie sollen in einem weiteren Schritt auch diese Ziele berücksichtigt werden. Den Aufwand für die Taxonomie-Berichterstattung hält Bassen für ein Übergangsphänomen. „Die Belastung der Unternehmen durch die Berichtspflichten wird geringer werden, wenn sich die Prozesse einspielen und erst einmal die IT installiert ist, die für die Erhebung und Auswertung der Daten benötigt wird.“ Allerdings wird der Umfang der zu berücksichtigenden Daten weiter steigen – schließlich will die EU mithilfe der Taxonomie auch noch soziale Fortschritte bewirken.