Was kommt auf Verbraucher und Unternehmen zu, wenn Europa den Klimaschutz verschärft? Foto: dpa/Christophe Gateau

Die Kommission will, dass der CO2-Ausstoß bis 2030 deutlich stärker sinkt als bisher geplant. Das wird Folgen haben für Verbraucher und Unternehmen. Der Energieverbrauch muss stärker sinken als vorgesehen, erneuerbare Energien stärker ausgebaut werden.

Brüssel - Am Mittwoch wird es offiziell: Kaum zwei Wochen nach ihrem Amtsantritt wird die neue EU-Kommission von Ursula von der Leyen schon ihren ersten großen Aufschlag haben. Im so genannten Green Deal wird sie vorschlagen, die Klimaschutzziele bis 2030 kräftig zu erhöhen. Bislang peilt die EU an, bis dahin 40 Prozent weniger CO2 auszustoßen als im Vergleichsjahr 1990. Von der Leyen geht auf 50 Prozent und behält sich offen, noch fünf Prozent draufzulegen, wenn andere große Emittenten wie China und Indien im Laufe des nächsten Jahres Signale senden, dass sie mitmachen. Bis März will die Kommission zudem einen Vorschlag für ein Klimagesetz vorlegen, das für die EU im Jahr 2050 Klimaneutralität vorsieht. Der Umweltexperte der Unionsabgeordneten im Europa-Parlament, Peter Liese: „Von der Leyen ist genau auf der richtigen Linie.“ Die EU müsse „ambitioniert“ sein und die Klimaziele erhöhen. Auf 55 Prozent oder noch höher zu gehen, wie Grüne fordern, lehnt Liese ab. Es wäre mit großen Herausforderungen für die Industrie und Verbraucher verbunden. „Das kann man nur machen, wenn es Teil einer internationalen Aktion ist.“

Wo wird es wehtun?

Wenn die EU sich strengere Ziele beim Klimaschutz setzt, kann das nicht ohne Folgen für Verbraucher und Unternehmen sein. Klar ist, dass die gesamte EU-Umwelt- und Klimagesetzgebung auf den Prüfstand kommt, die ja bisher darauf ausgerichtet war, bis 2030 „nur“ 40 Prozent weniger Klimagase auszustoßen. Bestehende Gesetze müssen womöglich wieder aufgemacht und geschärft werden, neue Maßnahmen und Instrumente werden hinzukommen müssen. Die Kommission wird am Mittwoch offenlassen, welche Gesetze womöglich wieder angefasst werden müssen. Sie wird lediglich sagen, dass sie handeln wird, wenn die Ziele drohen, verfehlt zu werden.

Welche EU-Gesetze rund um Klima und Energie stehen auf dem Prüfstand?

Es geht um fünf Bereiche, die möglicherweise geschärft werden müssen. Zum einen sind es die EU-Vorgaben für den Ausbau der Erneuerbaren Energien. Da war bislang ein Anteil von 32 Prozent bis 2030 vereinbart. Zudem geht es um Energieeffizienz, die um 32,5 Prozent steigen soll. Dann sollen die Verbindungen zwischen den Stromnetzen um 15 Prozent zulegen, damit der Strom aus Erneuerbaren besser transportiert werden kann. Außerdem soll der CO2-Ausstoß von Autos zwischen 2021 und 2030 noch einmal um 37,5 Prozent sinken. Für Lastwagen und Lieferwagen gibt es ähnliche Ziele. Es könnte sein, dass all diese Ziele noch einmal verschärft werden müssen.

Wo sind Mehrkosten zu erwarten?

Autofahren und Wohnen könnten teurer werden. Die Kommission will nämlich sowohl den Straßenverkehr als auch Gebäude in den Europäischen Emissionshandel (ETS) einbeziehen. Dies würde bedeuten, dass die Preise an der Tankstelle sowie beim Heizen der Wohnungen zulegen. Da schon jetzt der Ausbau von Erneuerbaren Energien in vielen Mitgliedstaaten den Zielen hinterher hinkt – vor allem beim Heizen, Kühlen und im Transportsektor – könnte die Kommission hier ohnehin gezwungen sein, strengere Vorgaben machen. Auch Sanierungsquoten je Mitgliedsland für die Wärmeisolierung von Gebäuden wären denkbar. Für Hausbesitzer wäre dies mit höheren Investitionen verbunden. Nutzer könnten dagegen über niedrigere Heizkosten profitieren.

Wo müssen Unternehmen mit Mehrkosten rechnen?

Energieintensive Branchen werden den höheren Preis für Verschmutzungszertifikate zu spüren bekommen. Vor allem Produzenten von Stahl und Zement sind betroffen. Nach ersten Berechnungen könnte die Herstellung eines Autos über höhere Stahlpreise 80 Euro mehr kosten. Die Kommission plant zudem erstmals Instrumente, mit denen der Schiffsverkehr und die Landwirtschaft zu stärkeren Beiträgen für den Klimaschutz herangezogen werden sollen.

Sind Entlastungen geplant?

Die Europäische Investitionsbank (EIB) soll zinsgünstige Darlehen für Investitionen in den Klimaschutz anbieten. Die exportierende Industrie soll entlastet werden, indem sie bei Ausfuhren aus der EU eine finanzielle Erstattung im Gegenzug für die steigenden CO2-Preise bekommt. Importe von außerhalb der EU sollen dann mit zusätzlichen CO2-Abgaben belegt werden, um Wettbewerbsverzerrungen auszuschließen.

Wie stark werden die Eingriffe in bestehende EU-Klimagesetze ausfallen?

Die Kommission geht davon aus, dass die Erhöhung der Klimaziele von 40 auf 45 Prozent ohne Eingriff in verabschiedete Gesetze möglich ist. So sind bereits jetzt die Vorgaben für die Senkung des Spritverbrauchs von Autos ehrgeiziger als von der Kommission eingeplant. Auch Beschlüsse der Mitgliedstaaten, wie etwa der deutsche Kohleausstieg, helfen. Unter der Voraussetzung, dass die Verschmutzungszertifikate beim Abschalten der Kohlekraftwerke vernichtet werden, bringt allein der deutsche Kohleausstieg 1,5 Prozent bei den EU-Klimazielen. Um die verbleibenden fünf Prozent zu erreichen, sind aber teils neue Maßnahmen, teils eine Verschärfung bestehender Gesetze nötig.