10 000 Liter fasst der drei Meter hohe Tank, der per Autokran im Boden versenkt wurde. Foto:  

Dass bei der Kristallisation freigesetzte Energie für die Heizung von Privathäusern genutzt wird, ist in der Region Stuttgart noch eine absolute Seltenheit. Das liegt auch an den trotz Fördergeldern hohen Kosten. Gleichwohl wird die Idee in Fellbach umgesetzt.

Beim Stichwort Eis dürften die meisten Zeitgenossen aktuell vermutlich an Stracciatella-Kirsch und Haselnuss-Zitrone denken. Womöglich grübelt der eine oder andere auch über in der Sommerhitze dahinschmelzende Gletscherkappen nach. Und manch einer mag mit Blick auf die für einen August nach wie vor standesgemäßen Temperaturen auch von einem auf der Gartenterrasse genossenen Sundowner mit im Glas klimperndem Gefriergut träumen.

Eine Heizung jedenfalls kommt beim Stichwort Eis wohl nur wenigen Menschen in den Sinn. Jürgen Haller und sein Sohn Björn sind da etwas anders gestrickt. Für die Inhaber einer Fellbacher Haustechnik-Firma ist Eis vor allem ein Synonym für eine hocheffizient funktionierende und quasi unerschöpflich produzierende Wärmequelle – und einen Schritt in Richtung Klimawende.

Die Eisspeicher-Ausbeute stellt die Wärmepumpe in den Schatten

Den Sommer haben sie genutzt, um einem Kunden im Portugieserweg einen Eisspeicher in den Garten zu setzen. Der ähnelt optisch einer Regenwasserzisterne, hat eine Speicherkapazität von 10 000 Litern und hat in der Wohnlage am Rand zum Kappelberg für Aufsehen gesorgt. Denn um den exakt drei Meter hohen Tank am Haus vorbei auf dem Grundstück zu platzieren war ein 40-Meter-Kran nötig. „Das hat schon für einen Volksauflauf im Oberdorf gesorgt“, erzählt Jürgen Haller vom schwierigen Transport des Eisspeichers an den Bestimmungsort.

Inzwischen ist der Behälter im Erdboden verschwunden, gut 50 Zentimeter unter der Oberfläche ist der Deckel des Eistanks. Der Tank speist eine Heizung, die im Prinzip ähnlich wie eine Wärmepumpe arbeitet, diese Technik bei der Energieausbeute aber offenbar weit in den Schatten stellt. „Das ist überhaupt kein Vergleich, die Wärmepumpe bringt nicht mal die Hälfte der Energie“, sagt Haustechniker Haller über die in der Region noch weitgehend unbeachtete Heizquelle.

Gefriert das Wasser, wird die Energie von 120 Litern Heizöl frei

Möglich macht das Energie-Plus der sogenannte Kristallisationseffekt. Wechselt das Wasser den Aggregatszustand und wird beim Unterschreiten des Gefrierpunkts zu Eis, werden pro Liter Tankinhalt stattliche 93 Watt freigesetzt. Bei einem Einfamilienhaus mit 10 000-Liter-Tank entspricht das laut der Herstellerfirma Vissmann dem Energiegehalt von ziemlich genau 120 Litern Heizöl – ein durchaus beachtlicher Wärmeschub.

Der Vorteil ist, dass die Energie aus dem Eis immer und immer wieder zur Verfügung steht – der Inhalt muss mit Solarwärme nur wieder aufgeheizt werden und sich in Wasser verwandeln. Zum Speicher im Garten gehören deshalb auch ein auf dem Dach montierter Absorber und ein Solarzaun, die das Eis im Tank im Erdreich flüssig machen. Außerdem wird für den Auftauprozess die Bodenwärme genutzt – 10 bis 12 Grad hat es im Erdreich selbst dann noch, wenn über den Kappelberg die Winterstürme fegen.

Nur Festo in Esslingen hat sich bisher an die innovative Technik gewagt

Trotz des Spareffekts beim Heizöl ist die Eisspeicher-Technik in Deutschland noch wenig verbreitet. Jürgen Haller nennt das Fellbacher Projekt das erste Privathaus in der Region. Im Ballungsraum Stuttgart habe sich bisher nur die Firma Festo an die innovative Technik gewagt – allerdings eher für die Kühlung im Sommer und mit 1300 Kubikmetern in deutlich größerem Maßstab. Geheizt wird das Forschungszentrum bei Esslingen mit klassischer Geothermie.

Der Grund für die Zurückhaltung liegt auf der Hand: Schon für ein Reihenmittelhaus wie in Fellbach fällt samt der Grabarbeiten eine Investitionssumme knapp unterhalb der 100 000-Euro-Marke an – ein Betrag, der auch vom Klimaschutz überzeugte Häuslebauer ins Grübeln bringt. „Ohne Förderung geht da nichts“, berichtet Haustechniker Haller von seinen Beratungsgesprächen. Die Fellbacher Familie kann für ihr Projekt mit 55 Prozent vom Staat rechnen – und hat die Gastherme aus dem Keller verbannt.

Trotz der Zuschüsse rechnet Jürgen Haller damit, dass es zwei Jahrzehnte braucht, bis sich die Wärme aus dem Eisspeicher auch finanziell bezahlt macht. Nachahmer wird es – nicht zuletzt, weil im Gegensatz zur in die Kritik geratenen Geothermie nicht in die Tiefe gebohrt werden muss – trotzdem geben. Bei Haustechniker Haller läuft für einen stadtbekannten Wengerter schon die Planung für eine weitere Eisspeicher-Heizung.