Wenn eine Brandschutzmauer für Kühlung sorgt: Jörg Schiller und seine Frau vor der mit dem Begrünungssystem eines Kornwestheimer Herstellers bestückten Wand. Foto: Gottfried Stoppel

Weil sich in Fellbach bei bepflanzten Fassaden zu wenig tut, gibt der Landschaftsgärtner Jörg Schiller der Bauverwaltung und den Kollegen im Stadtrat auf seinem Betriebshof nun Nachhilfeunterricht.

Die lokalen Bemühungen um den Klimaschutz gehen dem Fellbacher Stadtrat Jörg Schiller nicht weit genug. Deshalb lässt er jetzt Storchenschnabel, Johanniskraut und Kaukasus-Vergissmeinnicht aus einer nackten Wand sprießen. Aus kleinen Kunststoff-Kästen lugt grüner Farn, an einem Pflanzgerüst aus dünnem Stahldraht dürfen Klematis und Efeu in die Höhe ranken.

Einem guten Dutzend verschiedener Pflanzenarten hat der Landschaftsgärtner auf seinem Betriebshof jenseits der Ortsumfahrung ein vertikales Beet bereitet – nur um zu zeigen, dass sich der Aufwand für mehr Grün in der Stadt in sehr überschaubaren Grenzen hält. „Das tut nicht weh und lässt sich an jeder Sporthalle mit einer einfachen Unterkonstruktion installieren“, sagt der Fachmann mit dem grünen Daumen.

Für viele Kletterpflanzen reicht ein schlichter Draht als Rankgerüst

Gleich drei Begrünungssysteme sind bei Schiller zu Demonstrationszwecken aufgebaut – vom einfachen Pflanzstab für den an der Nordseite des Wohnhauses wachsenden wilden Wein bis zum verzinkten Gitter für die Waldrebe Klematis mit ihren annähernd 300 Sorten sind viele Lösungen denkbar. Tief in die Tasche greifen müssen Hausbesitzer aus Sicht des Landschaftsgärtners nicht, um zum Klimaschützer zu werden – für viele Kletterpflanzen reicht schon ein schlichter Draht als Rankgerüst.

Den größten Effekt für die Umwelt aber dürften die aus einem Recyclingmaterial geformten Plastiktröge haben, die an eine Brandschutzwand vor dem neuen Bürotrakt des 50-Mitarbeiter-Betriebs geschraubt sind. Auf gut 25 Quadratmeter Fläche sorgen annähernd 800 Pflanzen für Sauerstoff und Kühlung. „Das bringt so viel wie ein mittelgroßer Baum“, sagt Jörg Schiller über die bereits nach wenigen Wochen zu einer dichten Blattwand gewachsene Vielfalt.

Mit 500 Euro pro Quadratmeter müssen Hausbesitzer schon rechnen

Ganz umsonst gibt es die gleich mit einem Bewässerungssystem versehenen Kunststoffboxen eines Kornwestheimer Herstellers zwar nicht. Laut dem nach dem Abschied aus der CDU-Fraktion inzwischen für die „Stadtmacher“-Gruppierung im Kommunalparlament sitzenden Stadtrat müssen Hausbesitzer bei dem Pflanzsystem mit Kosten von etwa 500 Euro pro Quadratmeter rechnen. Doch der Lokalpolitiker erhofft sich von der Technik, dass die Pflege der Bepflanzung einen allenfalls minimalen Aufwand verursacht – und deshalb auch für die Verwaltungszentralen und Werkhallen von Unternehmen oder öffentliche Bauten von Stadtbibliothek bis Hallenbad taugt.

„Wir haben im Stadtbild immer weniger Platz für Bäume und immer weniger Geld für die Pflege – da kann uns die Begrünung von Dächern und Fassaden wirklich helfen“, sagt Jörg Schiller über die in der Verlängerung der Hofener Straße aufgebauten Anschauungsobjekte. Aus seiner Sicht reicht es in Zeiten des Klimawandels längst nicht mehr aus, wenn eine Innenstadt nur optisch etwas hermacht. Zur Lebensqualität gehört für Jörg Schiller auch eine erträgliche Temperatur.

Beim Blick auf den Klimaschutz regt sich bei mehreren Projekten die Kritik

Für Fellbach ist die Frage nach einer auch mit Blick auf die Erderwärmung noch wirklich zeitgemäßen Stadtgestaltung durchaus ein Politikum. Der Klimaschutz kommt auch den Bürgervertretern bei vielen Planungen zu kurz, weil mehr Wert auf eine kompakte Bebauung und optisch anspruchsvolle Baukörper gelegt wird. Mehrfach öffentlich gerügt wurden etwa die fast bis auf den letzten Quadratmeter ausgenutzten Baufenster im Wohnquartier auf dem Schönemann-Areal. Und dass die Stadt Fellbach bei dem millionenschweren Bürobau der Krankenversicherung SDK keine begrünten Fassaden vorgeschrieben hat, sorgte für zumindest leise Verwunderung.

Gemäkelt wird auch an den eigenen Projekten: Dass sich beim lange wegen der Kostensteigerungen in der Kritik stehenden Stadtteil-Zentrum an der Pauluskirche das öffentliche Grün in Grenzen hält, rief ebenso kritische Wortmeldungen hervor wie die Erfahrungen bei der Neuen Mitte in Schmiden. Das von der Stadt in Eigenregie verwirklichte Wohnprojekt im Ortskern gilt zwar durch seine innovative Modulbauweise mit vorgefertigten Holzelementen als ein Vorzeige-vorhaben. Von einem durchdachten Klimakonzept mit intensiver Gebäudebegrünung, Bäumen und Wasserflächen kann aber keine Rede sein. „Wir brauchen in Fellbach keine Architekturpreise, sondern hitzeresiliente Stadtquartiere“, bringt Jörg Schiller seine Sicht der Dinge auf den Punkt. Seine Fassadensysteme für mehr Grün in der Stadt sollen als Anschauungsobjekt dienen.