Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) fördert ein Projekt, um Kohlendioxid in großem Stil aus der Luft zu filtern. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Um die Klimaziele zu erreichen, muss viel Kohlendioxid eingefangen und genutzt werden – das treibt ein Forschungsprojekt jetzt voran. Baden-Württemberg will damit auch Perspektiven für die heimische Wirtschaft entwickeln.

Es klingt ein wenig nach Science Fiction oder wie nach dem Tun der mittelalterlichen Alchemisten, die aus Dreck Gold machen wollten. Tatsächlich aber ist es heute schon technisch möglich, das Klimagift Kohlendioxid aus der Luft zu filtern und dieses dann als Ausgangsprodukt etwa für Kerosin zu benutzen. Mit diesem könnten Flugzeuge umweltfreundlich betrieben werden.

Damit könnte man gleich mehrere Fliegen auf einmal schlagen. Erstens verringert man die CO2-Konzentration in der Luft und dämpft damit die Klimaeffekte. Zweitens steht ein wichtiger Rohstoff zur Verfügung, der eben für klimaneutrale Kraftstoffen oder auch für chemische Produkte verwendet werden könnte. Und drittens könnte die Wirtschaft im Südwesten davon profitieren, indem sie selbst solche Anlagen betreibt oder Komponenten dafür produziert.

Zwei Millionen Euro für das Forschungsprojekt

Aus diesen Gründen fördern das Verkehrs- und das Wirtschaftsministerium jetzt ein Projekt mit zwei Millionen Euro. Das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung (ZSW) in Stuttgart forscht seit vielen Jahren in diesem Bereich, der mit dem Fachbegriff „Direct Air Capture“ (etwa: direkte Filterung aus der Luft) bezeichnet wird. Jetzt gehe es darum, die industrielle Anwendung vorzubereiten, betont Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) in einer Mitteilung.

Das Verfahren, Kohlendioxid aus der Luft zu filtern, ist sehr energieaufwendig. Die Umgebungsluft strömt durch ein Aggregat, das das CO2 herausfiltert. Danach muss der benutzte „Filter“-Stoff aber bei erhöhter Temperatur unter Wärmezufuhr regeneriert werden, um das CO2 in Reinform zu erhalten. Dafür wird je nach Verfahren mit Temperaturen von 100 oder von 900 Grad gearbeitet.

Andere Länder sind schon viel weiter

Das ist auch eine der größten Schwierigkeiten dieser Technik. Effizient sind solche Anlagen nur, wenn sie mit günstigem und klimaneutralem Strom etwa aus Fotovoltaikanlagen in Nordafrika betrieben werden. Die Forscher, die auch im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrttechnik angesiedelt sind, hoffen aber, dass sich die Kosten später, wenn die Anlagen im industriellen Maßstab betrieben werden, auf weniger als 100 Euro pro Tonne Kohlendioxid einpendeln: „Damit kann die Wirtschaftlichkeit erreicht werden“, so Minister Hermann.

Allerdings wartet die Welt nicht auf Baden-Württemberg. In einer Studie des Karlsruher Instituts für Technologie vom Dezember 2020 heißt es, dass die drei globalen Player in dieser Sparte bereits an der Schwelle zum kommerziell einsetzbaren System stünden. Es geht dabei um die Speicherung von Kohlendioxid etwa in Hohlräumen unter dem Meeresgrund, aber eben auch um deren Nutzung. Diese drei Firmen sind Carbon Engineering aus Kanada, Climeworks aus der Schweiz und Global Thermostat aus den USA.

Climeworks hat im vergangenen September die nach eigenen Angaben weltweit größte Anlage in Island in Betrieb genommen – damit können 8000 Tonnen CO2 pro Jahr aus der Luft gefiltert werden. Sie werden in der Tiefe gespeichert und verwandeln sich dort langsam in Stein. Allerdings: diese Menge ist immer noch sehr gering und entspricht dem CO2-Ausstoß von gerade einmal 800 Autos.

Klimapläne des Landes sind gefährdet

Schon Ende 2020 war in Baden-Württemberg ein weiteres Projekt gestartet worden: Am Zementwerk Mergelstetten (Kreis Heidenheim), das wie alle Zementwerke sehr viel Kohlendioxid erzeugt, soll das CO2 aufgefangen und ebenfalls zur Produktion von Flugbenzin verwendet werden. Doch die Entwicklung hat sich stark verzögert. Wenn alles gut laufe, könne die industrielle Produktion frühestens 2028 aufgenommen werden, hieß es vor einiger Zeit dazu aus dem Verkehrsministerium.

Eine Klimastudie, die das Land Baden-Württemberg in Auftrag gegeben hatte, kam vor wenigen Tagen zum Ergebnis, dass die Klimaneutralität bis 2040 nur noch dann zu schaffen sei, wenn ausnahmslos alle Maßnahmen umgesetzt würden. Dazu gehört laut den Autoren auch, dass alle sechs Zementwerke in Baden-Württemberg mit einer CO2-Abscheidung ausgerüstet werden und „dass diese über CO2-Pipelines an Speicherstandorte in der Nordsee angeschlossen werden.“ Doch für solche Pipelines gibt es bisher nicht einmal konkrete Pläne.