Beim Pro-Kopf-Ausstoß von Treibhausgasen ist Deutschland weit vorn. Foto: dpa

Die Bundesregierung prüft eine Abgabe auf Kohlendioxid-Emissionen, um den Ausstoß von Treibhausgasen zu verringern. Gas und Strom werden durch derartige Steuern erheblich teurer, wie eine Studie des Internationalen Währungsfonds zeigt. Er empfiehlt eine soziale Abfederung.

Frankfurt - Für eine Begrenzung des Treibhausgaseffekts auf maximal zwei Grad wäre ein CO2-Preis von 70 Dollar pro Tonne erforderlich. Auf diese Zahl kommt jedenfalls der Internationale Währungsfonds (IWF) in einer am Freitag veröffentlichten Studie. Der IWF schaltet sich damit in die Debatte über eine Bepreisung von Kohlendioxid-Emissionen ein, die auch die große Koalition in Berlin beschäftigt.

Der IWF hat ausgerechnet: Wenn der Ausstoß von CO2 international mit 70 Dollar (63 Euro) pro Tonne belegt würde, dürften die Emissionen der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer (G 20) bis 2030 rund ein Drittel geringer ausfallen als ohne Steuer. Eine Einsparung in diesem Umfang halten Klimaforscher für notwendig, um eine Erderwärmung um mehr als zwei Grad zu verhindern. Diese Grenze sieht das Pariser Klimaschutzabkommen von 2015 vor.

Die von den einzelnen Vertragsstaaten zugesagten Einsparungen sind weniger ambitioniert. Um sie zu erreichen, wäre laut IWF ein CO2-Preis von 35 Dollar (31 Euro) pro Tonne mehr als ausreichend – allerdings würden die Temperaturen dann weltweit im Mittel um drei Grad steigen. Das wäre „ziemlich beängstigend“, kommentierte IWF-Chefin Christine Lagarde.

Der Emissionshandel ist lückenhaft

Im Europäischen Emissionshandel kostet ein Zertifikat für den Ausstoß einer Tonne Kohlendioxid derzeit 25 Euro. Das EU-Emissionshandelssystem deckt aber nur Industrie und Kraftwerke ab. Der Straßenverkehr, die Landwirtschaft und der private Energieverbrauch sind nicht erfasst. Eben darum wird über eine allgemeine CO2-Abgabe diskutiert.

Eine derartige Abgabe in Höhe von 35 Dollar würde laut IWF den Energieverbrauch drastisch verteuern: Für Deutschland etwa erwartet der Währungsfonds in diesem Szenario eine Steigerung des Gaspreises um 27 Prozent, für Strom einen Aufschlag von 17 Prozent und für Benzin von sechs Prozent. Diese Mehrkosten beziehen sich jeweils auf den für 2030 erwarteten Preis.

Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) erklärte kürzlich bereits, dass ein CO2-Preis „sozial ausgestaltet sein“ müsse. Beispiele dafür, wie die Bürger nach Einführung einer CO2-Steuer an anderer Stelle entlastet werden können, liefern andere Länder: So fließen in der Schweiz zwei Drittel der Einnahmen aus der CO2-Steuer an Bevölkerung und Wirtschaft zurück. Die Rückzahlung erfolgt in Form einer Kopfpauschale, bei Unternehmen proportional zur Lohnsumme. Wer wenig fossile Brennstoffe nutzt, wird auf diese Weise belohnt. Frankreich führte als Ausgleich für die CO2-Steuer auf fossile Brennstoffe ein „Energiescheck“ für Geringverdiener ein.

Ökonomen werben für Reform bestehender Energiesteuern

Auch der IWF spricht sich für eine soziale Abfederung etwaiger Kohlendioxid-Steuern aus: Sie müssten schrittweise eingeführt und mit einer Unterstützung für „verletzliche Haushalte und Firmen“ verbunden werden, empfehlen die Experten. Möglich sei auch eine Kombination bestehender Steuern auf Strom oder Sprit mit einem CO2-Preis.

Für eine solche Strategie werben auch die deutschen Ökonomen Ottmar Edenhofer und Christoph Schmidt: Sie schlugen im Dezember vor, für den EU-Emissionshandel spätestens 2035 einen Mindestpreis von 35 Euro je Tonne Kohlendioxid festzusetzen. Obendrein solle die Bundesregierung die Energiesteuern reformieren und sie konsequent am CO2-Gehalt fossiler Brennstoffe ausrichten.

Das Konto für 2019 ist bereits überzogen

Zwar ist Deutschland nur für zwei Prozent der weltweiten Kohlendioxid-Emissionen verantwortlich, gemessen an der Einwohnerzahl gehört die Bundesrepublik aber zu den großen Verschmutzern: Pro Kopf liegt der CO2-Ausstoß laut Zahlen der Internationalen Energie-Agentur von 2016 bei 8,9 Tonnen pro Jahr. Das ist laut Umweltschutzorganisationen auch der Hauptgrund dafür, warum Deutschland beim Verbrauch natürlicher Ressourcen im internationalen Vergleich weit vorne steht: Am Freitag war hierzulande der sogenannte Erdüberlastungstag erreicht. Damit habe Deutschland „bereits nach vier Monaten so viele Ressourcen verbraucht, wie unserem Land rechnerisch für das ganze Jahr zur Verfügung stehen“, teilte der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland mit.

Basis für die Berechnungen ist unser Anteil an der Weltbevölkerung. Diese verbraucht laut der Forschungsorganisation Global Footprint Network mehr Ressourcen, als die Erde in einem Jahr regenerieren kann. Und sie bläst mehr CO2 in die Luft, als Wälder und Ozeane absorbieren. Weltweit wird der Erdüberlastungstag voraussichtlich im Sommer erreicht. Der frühe deutsche Termin zeigt nach den Worten der Nichtregierungsorganisation Germanwatch, was geschähe, „wenn alle Menschen weltweit so leben und wirtschaften würden wie die Bevölkerung in Deutschland. Die Weltbevölkerung bräuchte dann eigentlich drei Erden.“