Die Esslinger Stadtverwaltung soll bei ihren Vorhaben die möglichen Auswirkungen auf das Klima kommunizieren – zunächst allerdings nur testweise.
Ob ein Neubau geplant ist, eine Schulsanierung oder die Umgestaltung eines Straßenzuges: Künftig soll die Esslinger Stadtverwaltung bei allen Vorhaben prüfen, ob sie Auswirkungen auf das Klima haben. Vorerst soll das allerdings nur testweise passieren, weil Skeptiker im Gemeinderat einen zu großen Aufwand befürchten.
In anderen Städten im Land ist die Prüfung auf Klimarelevanz bereits Usus. Laut Katja Walther, Leiterin der Stabsstelle Nachhaltigkeit und Klimaschutz, werden beispielsweise Vorhaben der Stadt Freiburg anhand einer vierstufigen Skala im Hinblick auf acht Aspekte des Klima- und Artenschutzes bewertet. In Tübingen werde am Ende von Beschlussvorlagen die Auswirkung eines Vorhabens auf das Klima erläutert, in Konstanz gebe es einen sogenannten Klima-Check und in Ludwigsburg müssten ein digitaler Fragebogen zur Klimarelevanz ausgefüllt und bei negativen Auswirkungen Alternativvorschläge vorgebracht werden.
Darstellung der Klimarelevanz schon lange Forderung in Esslingen
In Esslingen hatte die SPD-Fraktion im Gemeinderat die Stadtverwaltung bereits vor einigen Jahren aufgefordert, die Auswirkungen geplanter Vorhaben auf das Klima darzustellen. In einem Antrag vom November 2020 forderte sie, die Klimarelevanz als festen Bestandteil von Beschlussvorlagen einzuführen. Ende 2022 stimmte der Verwaltungsausschuss einem einjährigen Test zu, der dann von Herbst 2023 bis Herbst 2024 erfolgte – allerdings mit nur mäßigem Erfolg.
So erklärte Katja Walther jüngst im Ausschuss für Bauen, Mobilität und Klimaschutz: „Die Testphase wurde leider nicht so genutzt.“ Gerade einmal bei vier Vorlagen sei der eigens zur Dokumentation der Klimarelevanz erarbeitete Anhang genutzt worden, entsprechend spärlich seien auch die Rückmeldungen dazu gewesen. „Daher haben wir uns dann auf persönliche Gespräche fokussiert“, so Walther. Dabei sei herausgekommen, dass viele Verwaltungsmitarbeiter sich schwer täten mit der Einschätzung der Klimarelevanz und sich mehr Unterstützung, etwa durch ein Formular zum Ankreuzen wünschten.
Esslinger Stadträte sehen Testphase zunächst skeptisch
Daher schlage sie eine weitere einjährige Testphase vor, allerdings mit verpflichtender Teilnahme, so Walther. Dann sei die Datenlage für die Evaluation in einem Jahr sicher besser. Ihre Stabsstelle unterstütze gerne weiterhin mit Tipps, mit einem Leitfaden sowie mit einer Online-Schulung. Doch im Ausschuss stieß sie damit zunächst auf Skepsis. Zwar hielten die Räte das Ausweisen der Klimarelevanz prinzipiell für sinnvoll, befürchteten aber zu viel Bürokratie.
Zudem wurde mehrfach kritisiert, dass der Weg vom Antrag bis zur Umsetzung viel zu lange gedauert habe. Eine Bearbeitungszeit von rund viereinhalb Jahren sei doch sehr überraschend, befand etwa SPD-Rat Daniel Scharpf. „Wir brauchen eine schnellere Bearbeitung bei solchen Themen, wir haben schließlich noch viel größere Themen“, monierte er und stieß damit auf große Zustimmung im Gremium. Immerhin habe die lange Bearbeitungszeit dazu geführt, dass die Ausweisung der Klimarelevanz jetzt offenbar möglich sei, erklärte Carmen Tittel, Fraktionschefin der Grünen. Das sei früher seitens der Stadt verneint worden.
Esslinger Stadträte befürchten zu hohen Aufwand
Hermann Beck von der Gruppe „WIR/Sportplätze erhalten“ gab allerdings zu bedenken: „Wenn für den Aufwand eine halbe Stelle notwendig ist, wäre ich dagegen“, betonte er. Auch Michael Weinmann (Freie Wähler) sagte: „Ich frage mich, ob das nicht ein Riesenaufwand ist.“ Und Tittel erklärte: „Wir bitten die Verwaltung, keine Doktorarbeit daraus zu machen, sondern die Sache pragmatisch anzugehen.“ Petra Schulz, beratendes Mitglied des Ausschusses, hingegen betonte: „Ich denke, dass jeder, der in der Verwaltung Vorlagen schreibt, die Auswirkungen auf das Klima mitdenkt.“ Dann könne er diese auch direkt aufschreiben: „Ich sehe nicht den Mehraufwand.“
Oberbürgermeister Matthias Klopfer zeigte Verständnis für die Einwände: „Vielleicht sollten wir die Testphase deutlich kürzer machen, um eher zu wissen, wie hoch der Aufwand ist und welche Wirkung wir erzielen.“ Letztlich entschied das Gremium, die Darstellung von Klimabelangen in Beschlussvorlagen von Juli bis Dezember zu testen und dann zu evaluieren.
Leitfaden für Einschätzung der Klimarelevanz
Tabelle
Mit einer vorgegebenen Tabelle sollen die Mitarbeitenden der Esslinger Stadtverwaltung bei der Einschätzung der Klimarelevanz der verschiedenen Vorhaben unterstützt werden. Die Tabelle fragt zum einen die möglichen Auswirkungen auf den Klimaschutz, zum anderen die möglichen Auswirkungen auf die Klimafolgenanpassung mit jeweils drei Unterpunkten ab. Die Folgen können jeweils als positiv, negativ, schwer einschätzbar oder nicht vorhanden bezeichnet werden.
Details
Im Hinblick auf den Klimaschutz wird konkret die Auswirkung auf die Senkung der Treibhausgasemissionen, auf den sparsamen Umgang mit Energie und auf den Ausbau regenerativer Energiequellen abgefragt. Im Hinblick auf die Klimafolgenanpassung wird nach den Auswirkungen auf die Hitzevorsorge, auf den Erhalt und die Förderung von Kaltluftentstehung und -transport sowie auf die Starkregen- und Hochwasservorsorge gefragt.