Die Diskussion über die Klimaziele und Energiewende kann kein Entweder-Oder sein. Dafür wurde zu viel investiert. Es ist Zeit für eine ideologiefreie Debatte, kommentiert Annika Grah.
Es die aktuell fast übliche missverständliche Wortwahl, die die Bundeswirtschaftministerin Katherina Reiche da diese Woche an den Tag gelegt hat. Die Energiewende sei am Scheideweg, sagte sie – und sorgte damit für die vermutlich gewollten Schlagzeilen und Wasser auf die Mühlen derjenigen, denen der klimafreundliche Kurs schon lange ein Dorn im Auge ist.
Doch zu glauben, damit sei die Abkehr von jedweder Klimapolitik im Bund gemeint, ist falsch und entspricht auch nicht dem, was Reiche und die sie flankierenden Wissenschaftler gesagt haben. Denn die Wortwahl darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Bundesregierung – zumindest hat das Reiche am Montag noch mal bestätigt – am Weg zur Klimaneutralität festhält. Erst im März wurde Deutschlands Klimaziel für 2045 im Grundgesetz verankert.
Die Energiewende ist keine Idee der Ampel
Zur Erinnerung: Es war nicht die Ampel, die die Energiewende als zentralen Baustein auf dem Weg zur Klimaneutralität einleitete. Den Kurs hat eine schwarz-rote Regierung vor mehr als zehn Jahren vorgegeben, als sie den Atomausstieg vorbereitete.
Ja – die weltpolitische Diskussion über den Klimawandel hat sich inzwischen gewandelt. Während die deutsche Wirtschaft in den vergangenen Jahren mit Schrecken auf die Milliardensubventionen für grüne Technologien unter der Biden-Regierung blickte, hat sich dort der politische Wind gedreht. Und auch in der EU baut sich eine Diskussion über die CO2-Bepreisung auf. Denn in vielen Ländern – Deutschland eingeschlossen – ist noch nicht ins Bewusstsein gerückt, welche finanziellen Folgen die höheren CO2-Preise, die 2027 für Gebäude und Verkehr eingeführt werden, für den Einzelnen haben.
Eine Abkehr vom Klimakurs wäre volkswirtschaftlicher Wahnsinn
Trotzdem wäre es nicht nur klimapolitischer, sondern auch volkswirtschaftlicher Wahnsinn, vom Klimakurs komplett abzurücken. Dabei geht es etwa um die bereits getätigten Investitionen in den Netzausbau. Mittelständler und Konzerne richten ihr Handeln inzwischen seit Jahren auf Nachhaltigkeit auf unterschiedlichen Ebenen aus. Dahinter stecken Milliardeninvestitionen, die nicht mit einem Handstreich zurückgedreht werden können.
Wenn manche jetzt von dem „Aus vom Verbrenner-Aus“ träumen, verkennen sie, dass auch die deutschen Autobauer sich längst auf den Weg zur Elektromobilität begeben haben – und den auch nicht kurzerhand verlassen werden. Das hat Daimler-Chef Ola Källenius erst jüngst in einem Interview klargemacht. Das Gleiche gilt für den privaten Bereich, in dem schon zahlreiche Menschen längst Geld in Wärmepumpen und Solarpanele investiert oder ein Elektroauto gekauft haben.
Nachbesserungen am Kurs müssen erlaubt sein
Selbstverständlich muss darüber gesprochen werden dürfen, ob der eingeschlagene Weg streng eingehalten werden muss, ob sich Rahmenbedingungen geändert haben, ob in Einzelheiten und vor allem in Zeitplänen nachjustiert werden muss.
Aber diese Diskussion muss sachlich und ohne Schaum vor dem Mund geführt werden – auf beiden Seiten. Ein Abgesang oder Infragestellen der Klima- und Energiewende ist genauso fehl am Platz wie die verbale Aufrüstung bei Fridays for Future. Denn verbale Tiefschläge und Hauruck-Reden sorgen nur für eines: Verunsicherung.
Das gilt in die eine wie in die andere Richtung, wie die Diskussion über das Gebäudeenergiegesetz der Ampel gezeigt hat. Und das ist Gift für die dringend notwendigen Investitionen. Stattdessen braucht es aus der Politik dringend Signale der Verlässlichkeit und Planbarkeit für Wirtschaft und Verbraucher. Vor allem muss Schwarz-Rot jetzt schnell die notwendigen Weichenstellungen vornehmen. Sonst wird Deutschland im internationalen Wettbewerb abgehängt.