In Schorndorf hat sich ein Bürgerrat mit dem Thema Fotovoltaik beschäftigt. Organisatoren und Teilnehmer sind begeistert von diesem Format der Bürgerbeteiligung.
Schorndorf - Gut ein Jahr ist es her, dass die Gruppe Klimaentscheid Schorndorf angefangen hat, Unterschriften zu sammeln – für einen Bürgerentscheid darüber, ob Schorndorf bis 2030 klimaneutral werden soll. Doch dieses Instrument mussten die Aktivisten gar nicht einsetzen. Denn statt mit Kämpfen geht es in der Daimlerstadt per Kooperation in Sachen Klimaschutz voran, und das erstaunlich schnell.
Der Oberbürgermeister von Schorndorf ernannte das Thema Klimaneutralität in seiner letzten Haushaltsrede zur Chefsache. Per Bürgerantrag durfte die Gruppe Klimaentscheid ihr Anliegen im Gemeinderat vorstellen, die Stadtverwaltung arbeitete eine umfassende Vorlage dazu aus, wie eine klimaneutrale Stadt gelingen kann. Und der Gemeinderat fasste schließlich im Frühjahr den Entschluss, dass Schorndorf bis 2035 klimaneutral werden soll.
Zufällig ausgewählte Bürger diskutieren über Fotovoltaikanlagen
„Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, alle Akteure müssen involviert werden“, sagt Diana Gallego-Carrera, die Leiterin der neu geschaffenen Stabsstelle Klimaschutz und Mobilität. Und wie so etwas gehen kann, das haben die Klimaentscheid-Gruppe und die Stadt Anfang Oktober mit einer neuen Form der Bürgerbeteiligung ausprobiert – einen Tag lang haben sich 25 per Zufallsstichprobe aus dem Melderegister ausgewählte Schorndorferinnen und Schorndorfer bei einem Klima-Bürgerrat mit der Frage beschäftigt, wie in der Stadt schneller mehr Fotovoltaikanlagen auf die Dächer gebracht werden könnten. „Ich denke, es war sehr hilfreich, dass die Einladung von der Stadt kam. Das ist doch etwas anderes, als wenn eine Bürgerinitiative einlädt“, sagt Sabine Kraus von der Klimaentscheid-Gruppe.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer beschäftigten sich in immer wieder neu zusammengesetzten Kleingruppen mit vier Leitfragen. Am Anfang jeder Arbeitsrunde stand ein kurzer Vortrag eines Experten, dann diskutierte die Gruppe für sich über Lösungsvorschläge und mögliche Lösungsansätze. Mit dabei war unter anderen Gerhard Schmidt-Bleile. Er erzählt, dass er zunächst aus persönlichen Gründen zum Klima-Bürgerrat gegangen sei. Auf seinem Dach hat er eine Anlage für Solarthermie. „Mittlerweile interessiert mich aber auch das Thema Fotovoltaik. Deswegen habe ich nicht lange gezögert“, erzählt der 67-Jährige.
Teilnehmer sind von Format Bürgerrat begeistert
Nach der Veranstaltung ist er sich sicher: auch bei anderen Themen würde er nicht lange überlegen, sondern wieder bei einem Bürgerrat mitmachen. „Das ist eine sehr spannende Methode, in den Kleingruppen gemeinsam Lösungen zu finden.“ Zumal nicht nur leidenschaftliche Klimaschützer dabei gewesen seien: „Ein Teilnehmer stand dem Klimawandel sehr skeptisch gegenüber. Er war danach teilweise anderer Meinung.“ Insgesamt meldeten 21 von 22 Teilnehmerinnen und Teilnehmern schriftlich zurück, dass sie Bekannten eine Teilnahme am Bürgerrat empfehlen würden.
Doch was wurde nun als Ergebnis erarbeitet, wie könnten mehr Fotovoltaikanlagen realisiert werden? Die 60 Vorschläge, die die Gruppen erarbeitet haben, wurden in einer Endrunde von den Teilnehmenden priorisiert. Sabine Kraus fasst kurz zusammen:„Die Bürger wünschen sich die Stadt in einer proaktiven Beratungsrolle, möchten eine persönliche Beratung.“
Des Weiteren schlagen die Gruppen die Bildung von Interessensgemeinschaften vor, damit die Menschen selbst Teil der Lösung werden könnten – aber auch, um etwa Sammelbestellungen oder -aufträge zu realisieren. Und schließlich schlägt der Klima-Bürgerrat einen Ausbau des Genossenschaftsmodells vor, um Wirtschaftlichkeit und Gemeinwohl zusammenzuführen. Auch die wichtige Rolle der Stadtwerke sei immer wieder betont worden, berichtet Sabine Kraus.
Mit den Bürgerrat-Ergebnissen wird weitergearbeitet
„Das ist ein Thema der Stadtwerke, sobald wir wieder in stabilerem Fahrwasser sind“, betont der Oberbürgermeister Matthias Klopfer, dem die Ergebnisse überreicht wurden. Er ist von dem Format begeistert: „Das führt zu einer Versachlichung.“ Einen großen Pluspunkt sieht Gallego-Carrera in der Zusammensetzung des Bürgerrats: „Durch die Zufallsstichprobe ist die Gruppe wirklich ein Sprachrohr der Gesellschaft.“
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Auch die Stadträte sollen die Ergebnisse erhalten, „zudem würden wir sie gerne im Gemeinderat vorstellen“, sagt Bärbel Baumgärtner, ebenfalls Mitglied der Klimaentscheid-Gruppe. Die Klimaschützer treffen sich einmal im Monat mit der Stabsstellenleiterin Gallego-Carrera, auch bei dieser Gelegenheit soll mit den Ergebnissen weitergearbeitet werden. „Wir wollen das Thema Bürgerinformation vertiefen“, sagt Sabine Kraus. Zudem sei ein Workshop mit den Stadtwerken angedacht.
Klimaentscheid-Gruppe plant selbst zwei große PV-Anlagen
Und die Gruppe will schon dieses Jahr mit gutem Beispiel vorangehe: „Wir planen zwei große Fotovoltaik-Projekte“, berichtet Wilhelm Pesch, der ebenfalls Mitglied ist. Zum einen soll eine Fotovoltaik-Anlage auf einer 110 Ar großen Freifläche entstehen, zum anderen eine 1000 Quadratmeter große Anlage auf dem Dach eine Gewerbegebäudes montiert werden. Die Anlagen sollen zusammen mit der Energiegenossenschaft Teckwerke Bürgerenergie gebaut werden; ferner soll es bald eine eigene Regionalgruppe geben.