Das Wilhelms-Gymnasium trägt das Label Schule gegen Rassismus. Nun würden Schüler gern durch Verzicht auf Flüge und Schüleraustausch das Klima retten. Foto: Sandra Hintermayr

Ist am Degerlocher Wilhelms-Gymnasium bald Schluss mit dem Schüleraustausch mit Indien und den USA? Klima retten contra fremde Kulturen kennenlernen: Über diese Frage wird kontrovers debattiert – nicht nur in der SMV, sondern auch in der Lehrer- und Elternschaft. Andere Schulen halten den Ball flacher.

Stuttgart - Ist am Degerlocher Wilhelms-Gymnasium bald Schluss mit dem Schüleraustausch mit Indien und den USA? Klima retten kontra fremde Kulturen kennenlernen: Über diese Frage wird jetzt in der ganzen Schulgemeinschaft kontrovers debattiert. Angestoßen hatten dies zwei Schülerinnen der Jahrgangsstufe zwei: Nie wieder fliegen, hatten sie gefordert – nicht zum Schüleraustausch, nicht zu Studienfahrten. Ihr Vorschlag hat mächtig Staub aufgewirbelt – nicht nur in der Schülerschaft. Auch an anderen Stuttgarter Schulen gibt es Bemühungen um mehr Nachhaltigkeit. Aber die halten den Ball flacher.

In Degerloch stimmte erst mal der Schülerrat über den Vorschlag mit dem Flugverzicht ab. „Die Mehrheit findet den Vorschlag gut“, sagt Victoria Mezger, Schülersprecherin und SMV-Mitglied. „Deshalb haben wir beschlossen, einen entsprechenden Antrag in der Schulkonferenz zu stellen.“ Dessen Entscheidung steht noch aus. Das primäre Ziel der Aktion sieht Victoria umfassender: „Wir wollen mehr Umweltbewusstsein schaffen“, sagt die 17-Jährige. Selbst wenn die Schulkonferenz sich gegen den Vorschlag aussprechen würde, „wären wir zufrieden, dass jetzt ein größerer Diskurs über das Klimathema entstanden ist.“ Persönlich meint sie: „Ich will, dass wir darüber nachdenken, was mit unserer Zukunft sein wird.“ Sie ergänzt: „Wir sind nicht nur aufs Fliegen fokussiert. Uns geht’s in der SMV darum, dass wir mehr für eine nachhaltige Schule machen möchten.“ Anregungen für weitere Projekte wollen sich die Schüler bei anderen Schulen holen.

Am Wilhelms-Gymnasium stößt der radikale Vorschlag auf unterschiedliche Resonanz

Peter Hoffmann, der Leiter des Wilhelms-Gymnasiums, bewertet den Antrag der SMV als sehr weitgehend. Den habe diese bereits im vergangenen Schuljahr im Zuge der Klimademos gestellt. Aber, so Hoffmann: „Wir begrüßen, dass unsere Schüler da eine Initiative gestartet haben.“ Das gelte, bezogen auf den Impuls, vorbehaltlos fürs ganze Kollegium. Der Schulleiter ergänzt: „Wir würden die Diskussion gern führen – aber gern viel allgemeiner.“ Etwa so: „Welchen Beitrag kann unsere Schule zur Nachhaltigkeit und zur Bewusstseinsbildung auch ganz konkret leisten?“ Gegen einen absoluten Flugverzicht gebe es allerdings auch „vehemente Einwände“. Den Austausch mit Mumbai habe man gerade erst angefangen. „Es wäre ein herber Verlust, ihn aufzugeben“, so Hoffmann. Ganz zu schweigen von dem Signal, das die Inder dann erhalten würden. „Indien ist für uns nicht nur ein Sprachaustausch, sondern auch ein Kulturaustausch“, führt der Schulleiter ins Feld. Denkbar sei ja auch ein Kompromiss: „Man könnte ja auch sagen, wir verzichten nur bei Studienfahrten auf den Flug.“ Bei der Entscheidung gebe es also einiges abzuwägen. Hoffmann findet aber, das sei eine tolle Herausforderung. Nicht zur Debatte steht der Frankreichaustausch nach Saintes: Dorthin kommen die Schüler ja auch per Zug.

Am Dillmann-Gymnasium im Stuttgarter Westen, das Partnerschaften mit Schulen in Singapur, Seattle und Valencia pflegt, gibt es derlei Vorstöße seitens der Schülerschaft bisher nicht, wie Schulleiter Manfred Birk berichtet. Die Klimadebatte sei ja schon recht, aber man müsse auch „aufpassen, dass man das Kind nicht mit dem Bade ausschüttet und Dinge kaputt macht, die man mühsam aufgebaut hat“. Der Pädagoge rät dazu, das Ganze abwägend zu betrachten. „Hinter all den internationalen Kontakten stehen auch der Jugendaustausch und die Dialogfähigkeit unserer Schüler“, gibt Birk zu bedenken. Er selber hielte einen absoluten Verzicht aufs Fliegen „für eine absolut übereilte Maßnahme“ – zumal es zur Belastung durch Flugreisen sehr widersprüchliche Berechnungsmodelle gebe. „Man müsste auf ganz anderen Feldern tätig werden, da sind aber nicht die Schüler das Problem“, meint Birk – „in der der Schule geht es doch darum, die Grundlagen zu lernen für die Lösungen von morgen“.

Am Zeppelin-Gymnasium stehen fairer Handel und Umgang mit Müll im Fokus

Auch am Zeppelin-Gymnasium im Stuttgarter Osten sieht man die Flugdebatte entspannt. Das Thema werde zwar „vereinzelt diskutiert“, aber nicht auf der Ebene der Schulkonferenz, berichtet Schulleiter Holger zur Hausen, der auch Geschäftsführender Schulleiter der Stuttgarter Gymnasien ist. Am Austausch mit der Partnerschule in Finnland hätten gerade mal 15 bilinguale Schüler teilgenommen, zum Frankreichpartner oder der Language Farm in Thüringen kommt man auch mit der Bahn. Als Weltethosschule mit gleichnamiger AG kümmere man sich eher um fairen Handel und sei nicht aufs Fliegen fokussiert. Dafür auf andere Dinge: „Wir thematisieren dauerhaft den Umgang mit Müll.“