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Am Tegelberg im Allgäu kommen Kletterer auf ihre Kosten – Bis Ende Oktober ist noch Saison.  

Schwangau - Ob Einsteiger oder Könner - in Schwangau gibt es ein Klettersteigensemble, das für jeden das richtige Terrain bietet. Wer will, kann sich im Bergsportzentrum kostenlos beraten lassen. Eine echte Herausforderung ist vor allem der Tegelbergsteig.

 Der König hätte wahrscheinlich wieder gemault. Ludwig II. hat zwar den Beinamen Märchenkönig, aber manches in seiner Kindheit kam ihm eher albtraumhaft vor, erzählt uns Thomas Hafenmair: "Der König hatte eine bergbegeisterte Mutter, die ihn auf ihre Touren mitgenommen hat. Aber wie oft bei Kindern hatte er keine Lust dazu. Später ist er deshalb nur noch mit dem Pferd in die Berge."

Auf dem Pfad, auf dem wir mit dem Bergführer aus Roßhaupten unterwegs sind, wird Ludwig wohl nie gewesen sein, obwohl seine Schlösser Neuschwanstein und Hohenschwangau direkt unter uns sind. Wir sind am Fuße des Tegelbergs auf einem historischen Pfad: Hier haben einst Schäfer ihre Tiere hoch auf die Weiden rund um den Tegelberg getrieben. Eine steile Route. Ein Fehltritt führt zum Absturz.

Schon 1938 hat die Gemeinde Schwangau hier eine Wanderroute ausgeschildert und die heiklen Passagen mit Ketten gesichert. Als Gelbe-Wand-Steig kennen ihn ganze Wanderergenerationen. Wenn man so will: ein Klettersteig. Erst in den 70er Jahren haben diese Eisenwege diesen Namen erhalten, vor allem aber sind sie quer durch die Alpen gebaut worden und in den letzten Jahren zu einem der großen Trends im Alpinismus geworden.

Klettersteige sind nicht ungefährlich

Den deutschen Alpenrand hat dieser nicht ganz unumstrittene Boom aber bislang eher nur gestreift. Was Thomas Hafenmair bei der Bergbahn und der Gemeinde vorsprechen ließ. Der Mann kennt sich aus mit Eisen am Berg: Er saniert alpenweit Wege, die mit Drahtseilen gesichert sind. Hafenmair schlug vor, einen Klettersteig durch den Gelbe-Wand-Schrofen zu bauen, das sind die Felsen zwischen der Skipiste und dem Tegelberghaus. Die Gemeinde nahm die Sache in die Hand und war auch recht erfolgreich darin, EU-Zuschüsse einzusammeln. Was ein Gesamtkonzept ermöglicht hat, das so doch recht selten ist. Gleich ein ganzes Klettersteigensemble, das allen vom Einsteiger bis zum Könner etwas bietet - und eine Schulung gleich dazu.

Gestartet sind wir am Bergsportzentrum, kurz hinter dem Parkplatz der Tegelbergbahn. Klettersteige sind nicht ungefährlich, auch am Tegelbergsteig ist schon ein Mann in den Tod gestürzt. Kann man sich so eine Tour zutrauen? Im Bergsportzentrum beraten Bergführer kostenlos, helfen, das eigene Können einzuschätzen, geben Tipps für geeignete Touren, informieren über den Zustand der Wege.

Steil und stufig geht es durch den Wald

Steil und stufig geht es durch den Wald

Wir wissen jetzt: Es wird heute noch knackig werden. Zunächst müssen wir gut schnaufen. Steil und stufig geht es durch den Wald und über ein Bachbett, dann biegen wir in eine Felswand ein. Die ersten Drahtseile blinken. Nagelneu sind sie, Thomas Hafenmair hat auch den Steig durch die Gelbe Wand gerichtet. Und auch etliche Schilder aufgestellt, zu einem Klettersteig-Lehrpfad. Ausrüstung, alpine Gefahren, Technik - das sind einige der Infos. Der Gelbe-Wand-Steig wird so zu einem Übungsklettersteig, geschickt besonders für Kinder. Sie kraxeln schon am Fels, ohne dass es zu schwer oder gefährlich wird. Extra für sie hat Thomas Hafenmair noch eine Seilbrücke eingebaut.

Über einen grasigen Rücken kommen wir an eine Steilstufe, eine Zwölf-Meter-Leiter nimmt diese Hürde. Hier zweigt der Klettersteig Tegelbergsteig ab. Eine Tafel checkt acht Voraussetzungen. Sicherheitsausrüstung dabei (hatte der abgestürzte Mann nicht)? Wetterbericht abgefragt? Die nötige Kraft in den Armen? Die brauchen wir gleich im Quergang nach der Leiter. Die Wand zwingt zum Hinauslehnen, die Arme müssen das ganze Gewicht halten. Danach klettern wir senkrecht hoch. Der Fels bietet nur sehr kleine Tritte, außerdem ist er - wir sind in einer Nordwand - noch nass vom Schnee der letzten Tage. Manchmal setzen wir die Füße ohne Tritt gegen den Fels, nur auf Reibung.

Das ist schon recht knifflig. Offiziell bewertet ist der Steig mit der Schwierigkeitsstufe C, aber einige Klettersteig-Portale stufen manche Stellen auch auf D hoch, und das ist nicht übertrieben. Und D heißt: Wer keine Klettererfahrung hat, wird keinen Spaß spüren.

Weite Schau über Seen und Hügel

Der Steig bewegt sich seitlich hoch, das mindert die Steinschlaggefahr. Überhaupt ist der Fels erfreulich fest. Bei aller Konzentration auf die anhaltend schwierige Route - man sollte sich immer wieder einen Blick weg vom Fels gönnen. Diese Wand ist die erste am Alpenrand - nichts hindert den Blick ins Vorland, eine weite Schau über Seen und Hügel.

Immer wieder hängen Seile in der Route, oder wir sehen auf Absätzen Materialdepots. Thomas Hafenmair kann von einem aufwendigen Bau berichten. Über vier Tonnen Metall und Holz (für Lärchenleitern, um den Boden zu schonen) sind von der Seilbahn und von Helis in die Wanddepots abgelassen worden, ein Bergführerteam hat alles in den Felsen verteilt und montiert. Fast 700 Löcher sind zum Beispiel ins Gestein gebohrt. Ganz fertig ist das Team noch nicht. Seitlich vom Tegelbergsteig soll über den markanten Felsturm mit dem Namen Finger noch ein Klettersteig eingebohrt werden, der von der Schwierigkeit her noch einen draufsetzt.

Denn so viel haben Thomas Hafenmair und die anderen Initiatoren schon beobachtet: Der Steig ist gut besucht, von Touristen und Einheimischen, die ihn als Trainingsstrecke vor der Haustüre schätzen. Auch wenn König Ludwig wahrscheinlich not amused gewesen wäre...