Vor allem im Kleinkindbereich fehlen Plätze: 1300 sind es aktuell. Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Obwohl die Stadt Angebote der Kinderbetreuung ausbaut, rennt sie dem Platzbedarf hinterher. Das zeigt die aktuelle Statistik. Auch die Möglichkeit, Gruppen zu vergrößern, hat nur wenige Plätze gebracht. Woran liegt das?

An die Entscheidungen waren Hoffnungen geknüpft. Als die Mitglieder des Jugendhilfeausschusses im Februar 2023 beschlossen, dass Kitas künftig pro Gruppe zwei Kinder mehr aufnehmen können, erhoffte man sich davon zusätzliche Plätze im dreistelligen Bereich. Versorgt werden sollten möglichst viele der knapp 750 Vierjährigen, die in der Landeshauptstadt noch keinen Platz in einer Betreuungseinrichtung haben.

Doch nun zeigt sich: Diese Erwartungen erfüllen sich nicht. Auf Anfrage teilte das Referat für Jugend und Schule mit, dass bislang bei städtischen, kirchlichen und privaten Trägern gerade mal 20 zusätzliche Plätze entstanden sind. Die zuständige Bürgermeisterin Isabel Fezer nennt als Grund unter anderem, dass laut Landesvorgaben nur Gruppen, die personell voll besetzt sind, zusätzliche Kinder aufnehmen können. Und das sei in vielen Kitas wegen des Fachkräftemangels und Krankheitsausfällen nicht der Fall.

1300 Plätze können gar nicht besetzt werden

Normalerweise gehen beispielsweise in eine Ganztagsgruppe mit Kindern ab drei Jahren 20 Kinder, für die 2,3 Vollzeit-Fachkräfte sorgen. Das Land Baden-Württemberg erlaubt allerdings seit Dezember 2022, dass maximal zwei weitere Kinder betreut werden dürfen. Von dieser Möglichkeit hatte die Stadt Gebrauch gemacht.

Generell bremst der Mangel an Erzieherinnen und Erziehern den Kita-Ausbau. Das zeigt der nun veröffentlichte Jahresbericht zur „Entwicklung der Kindertagesbetreuung in Stuttgart 2022“, der an diesem Montag im Jugendhilfeausschuss diskutiert werden soll. Auf 20 Seiten und in mehreren Tabellen kann man darin lesen, dass die Stadt zwar ständig neue Plätze schafft, aber dem eigentlichen Bedarf weiterhin hinterher rennt, vor allem bei der Betreuung von Kleinkindern unter 3 Jahren.

Gut die Hälfte aller Kleinkinder ist versorgt

Fast 3600 zusätzliche Plätze hat die Stadt für sie seit 2012 eingerichtet. Aktuell gibt es 9000. Laut Stadt sind damit rechnerisch gut die Hälfte (51 Prozent) der rund 17 500 Kinder in diesem Alter mit einem Platz versorgt (2012 war es nur jedes dritte Kind). Das ist allerdings eine rein theoretische Zahl, denn 1300 dieser Plätze können derzeit gar nicht besetzt werden, vor allem, weil das Personal dafür fehlt.

Vom Ziel, für 59 Prozent der Unter-3-Jährigen im Stadtgebiet einen Platz zur Verfügung zu stellen, ist die Landeshauptstadt also noch ein gutes Stück entfernt, konkret 1370 Plätze. Und sie wird sich von dieser Marke bis 2025 weiter entfernen, selbst wenn die schon beschlossenen weiteren 1000 Plätze bis dahin teils geschaffen werden sollten. Hauptgrund ist, dass die Zahl der Kinder in diesem Alter zunehmen wird. Das Jugendamt geht deshalb davon aus, dass der so genannte Versorgungsgrad auf knapp 49 Prozent sinken wird und spricht noch von einer „optimistischen Prognose“.

Bezirke stehen unterschiedlich da

Es ist eine Gemengelage aus Problemen, Grundstücke, Gebäude und Personal zu finden und gleichzeitig steigenden Kinderzahlen, die die Stadt auch im Kindergartenbereich ausbremst. Zwar liegt der Versorgungsgrad für Drei- bis Sechsjährige bei knapp 99 Prozent (bei den Ganztagsplätzen ab acht Stunden bei 70 Prozent). Das Ziel der Vollversorgung wird allerdings auch bis 2025 nicht erreicht werden, weil die Kinderzahlen parallel steigen.

Eltern wollen protestieren

Die Kita-Situation in Stuttgart ist auch zunehmend ein Thema unter Eltern und Erziehern. „Gekürzte Öffnungszeiten, Überlastung, fehlende Plätze, Notbetreuung, kaum Zeit für pädagogische Arbeit – Das ist Alltag für viele Eltern und Erzieher:innen“, heißt es auf einem Flyer, der derzeit unter Eltern kursiert. Dahinter steckt die Initiative „Kitastrophe Stuttgart“, gegründet von Familien und Erzieherinnen, die die „Kita-Krise ins öffentliche Bewusstsein bringen will“. Man plane eine Demo, heißt es auf dem Flyer, wo auch schon einige Forderungen zu lesen sind. So wird eine Erstattung der Elternbeiträge für ausfallende Betreuungszeiten gefordert und bessere Bezahlung und mehr Zeit für Vor- und Nachbereitung für Fachkräfte.

VHS-Pressecafé zum Thema Vereinbarkeit

Thema Vereinbarkeit
Dass Mütter arbeiten ist mittlerweile selbstverständlich – der Ausbau der Kitas und ein Bewusstseinswandel bei Eltern und Arbeitgebern haben dazu beigetragen. Also alles gut in Sachen Vereinbarkeit von Familie und Beruf? Überhaupt nicht! Eltern ächzen unter der Doppelbelastung, der Fachkräftemangel bringt das Betreuungssystem an die Grenzen. Leidtragende sind am Ende die Kinder. Wo wir in Sachen Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch in Stuttgart stehen und warum wir eine neue Sicht auf Erwerbs und Fürsorgearbeit brauchen, ist das Thema des nächsten VHS-Pressecafés. Familien-Redakteurin Lisa Welzhofer wird ins Thema einführen, danach ist Zeit für Fragen und Diskussion.

Termin und Anmeldung
Das Pressecafé der VHS zum Thema Vereinbarkeit findet am Mittwoch, 10. Mai, 18.30 Uhr im Treffpunkt Rotebühlplatz statt. Gebührenfreie Anmeldung unter Kursnummer 231-16020 auf www.vhs-stuttgart.de. Der Livestream findet sich unter www.vhs-stuttgart.de/infoservice/vhs-digital/vhs-livestream