Eine gute Ordnung prägt den Garten der Familie Singh-Kaur. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Kleingartensiedlungen ein Hort der Engstirnigkeit? Die Familie Singh-Kaur hat einen Garten mit Gleisanschluss nur wenige Minuten von der Wohnung in der Innenstadt und würde dieser Aussage entschieden widersprechen.

Stuttgart - Gar nicht weit weg von dem Kleingartenidyll der Familie Singh-Kaur fährt die Stadtbahn, an den Werktagen in ziemlich dichter Taktfolge in Doppelzügen. Und neben den Gleisen sind auf der Kirchheimer Straße zwischen Ruhbank und Sillenbuch auch immer ganz schön viele Autos unterwegs. Doch jetzt, in diesen Junitagen, wenn die Laubbäume voller Saft und Kraft dastehen, könnte das mehr oder weniger beständige Rauschen in der Luft auch von dem mäßigen Wind kommen, der durch die Blätterkleider weht. Denn die Stadtbahn hält hier an der Haltestelle Silberwald an der Rampe schon halb unter der Erde zur Streckenführung unterirdisch durch Sillenbuch. Und die Autos sind angesichts der üppig grünenden Bäume und Sträucher eigentlich auch gar nicht zu sehen.

Frische Luft vor der Wohnungstüre

Die vierköpfige Familie sieht diese Nähe zur Mobilität positiv: „Wir leben mitten in der Stadt und sind so ohne Umsteigen in wenigen Minuten mitten in unserem Grün“, lobt Malkit Singh diesen Ort, „vor allem, als vor einigen Jahren unsere Töchter noch jünger waren, konnten wir sie mit gutem Gewissen so auch mal sorgenfrei allein diese Strecke fahren lassen.“ Als selbstbewusste Teens brauchen Rapinder und Punieet solche Fürsorge heute nicht mehr, den Garten schätzen sie aber nach wie vor sehr aus der Freude am Grün und an der frischen Luft, und das quasi vor der Wohnungstüre.

Für die junge Familie hat mit dem Garten die Lebensqualität erheblich zugenommen. „Früher waren wir mit den Kindern auf dem Schlossplatz und im Schlossgarten unterwegs“, so Malkit, „das war auch immer sehr interessant und abwechslungsreich, aber da war man nie unter sich. Das ist hier jetzt doch ganz anders“. Und da fügt Punieet gerne hinzu: „Wir fahren in diesem Jahr wohl nicht in den Urlaub. Wozu auch sollen wir jetzt irgendwo hinfliegen, wir haben ja hier unseren Garten.“ Und der eignet sich natürlich auch gut zum faul Herumliegen in der Sonne, doch vor allem kündet er von geschäftigem Treiben, das offensichtlich jedes Familienmitglied verinnerlicht hat. Ganz akkurat stehen da noch ziemlich junge Obstbäume auf einer sauber und gleichmäßig gemähten Wiese, die freilich noch einige Jahre benötigen, bis sie ergiebige Apfel- , Birnen- oder Zwetschgenspender werden. Und rundherum herum auf dem etwa 500 Quadratmeter großen Gelände befinden sich verschiedene Gemüsebeete und Sträucher.

Eine gemähte Wiese

Manches davon ist dem heimischen Gartenfreund vertraut, etwa die Zwiebeln. Anderes ist hier nicht so häufig anzutreffen, etwa der Knoblauch, den die indisch inspirierte Küche noch ausgiebiger benötigt als die deutsche. Die Singhs bringen hier aber auch Auberginen oder Chili zum Reifen, oder Gewürze wie Koriander. Experimente finden derzeit in Sachen Raps statt. Anderes wie Reis oder Linsenfrüchte wächst hier eben nicht gedeihlich, so der Vater Narinder. Doch dafür gedeihen hier gut Äpfel oder Birnen, die wiederum in Indien kaum eine Chance haben.

Frisch schmeckt es am besten

Für einen gut und abwechslungsreich gedeckten Tisch reicht es also allemal, das meiste werde eh gleich im Garten direkt verzehrt. „So ganz frisch, das schmeckt am besten“, so Rapinder. Und beim Probieren und Genießen lässt sich am besten beratschlagen. Etwa über die Frage, ob Kompost oder Gewächshausfolie bessere Resultate bringen. Wobei da wohl schon Klarheit herrscht: „Auf Kompost ist die Ernte größer“.

Blumen gibt es auch, ein paar Rosenstöcke. Die werden besonders gehegt. „Die sind noch von den Vorgängern übrig geblieben“, so Malkit Singh. Und sie erinnern an eine besonders mühevolle Arbeitsphase. „Als wir den Garten vor vier Jahren übernommen haben, war er verwildert und zugewachsen. Das hat erst mal viel Zeit und Mühen gekostet, bis wir da durch waren, um mit der eigentlichen Gartenarbeit beginnen zu können“, erinnert sie sich. Einige alte und verwucherte Obstbäume hätten auch gefällt werden müssen, so Narinder Dafür ist jetzt eben Platz für junge Obstbäume.

Ein Schmuckstück ist daraus geworden, finden nicht nur die Singhs. Viele Spaziergänger loben ebenso das Engagement. Denn am Garten vorbei führt der nächste Weg von der Haltestelle Silberwald zu den Sportvereinen und zum Clara-Zetkin-Waldheim. „Viele kennen den Garten noch, als er zugewachsen war“, so Rapinder, „und sie finden es toll, was nun daraus geworden ist“.

Regeln schätzen

Das hat viel damit zu tun, dass die Gestaltung trotz all der Vielfalt übersichtlich und gut geordnet ist. Das ist großzügig, hier gibt es keine Zeugnisse kleinbürgerlichen Daseins. Überhaupt: wer der Meinung ist, dass Kleingartensiedlungen ein Hort der Engstirnigkeit, Gleichmacherei und Regulierungswut ist, wird hier eines anderen belehrt. „Regeln müssen sein“, erklärt Malkit bestimmt, „wenn man wie wir aus einem ganz anderen Land kommt, weiß man es zu schätzen, dass es Regeln gibt“. Ihr gefällt die Internationalität der Silberwald-Gartensiedlung: „Da sind Leute aus dem Kosovo, aus der Türkei oder aus der früheren Sowjetunion: Wir kommen alle bestens miteinander aus und helfen uns gegenseitig.“