Foto: Piechowski

Das „verehrte Publikum“ feiert die Kleine Tierschau im Zirkuszelt auf dem Marienplatz.

Stuttgart - Drückende Hitze lastet am Donnerstagabend auf der Stadt, und in einem Zirkuszelt auf dem Marienplatz scheint sie sich zu sammeln. Es ist das Zelt, in dem die Comedytruppe Die Kleine Tierschau drei Wochen lang ihr 30-Jahr-Bühnenjubiläum feiert. 390 Gäste sitzen da, auf der Zirkustribüne und auf zusätzlich herbeigeschafften Stühlen, und transpirieren. Die Künstler in der Manege, Michael Gaedt und Michael Schulig, allerdings leiden am meisten - wer will schon bei solchen Temperaturen einen Anzug tragen, ein Plüschkostüm, ein Tigerfell, ein Rüschenhemd? Freuen darf sich allein Michael Gaedt, der sich auf der Bühne seit jeher zu den Klängen von "Fever" die Kleider vom Leib reißt.

Für ihre Jubiläumsshow "Menschen, Tierschau, Sensationen" ließen Gaedt und Schulig sich ein Zirkuszelt einrichten - mit einem Vorhang aus goldenem Samt, der von Sonnenblumen umrahmt wird, mit zwei Abgesandten des Kamelhofs Rotfelden, die den Gästen draußen in der Pause mit großer Ernsthaftigkeit ins Auge schauen und dabei die schmale Nase rümpfen, mit einer ganzen Garde von Tänzerinnen, die die komischen Helden temperamentvoll umschwirren. Ganz zuletzt, noch bevor die beiden ihre "fröhlichen Lieder in Moll" als Zugabe spielen, und klagen: "Schlimm ist es auf der Welt zu sein", werden die Tänzerinnen paukenschlagend und in Netzstrümpfen ein letztes Mal in die Manege einmarschieren.

Der Zirkus hatte schon immer seinen Platz in der Fantasie der Kleinen Tierschau: Michael Gaedt erinnert sich an seine Kindheit und an "Salto Mortale" im Fernsehen, schlüpft in einen glitzernden Zirkusdirektorenfrack, führt vollkommen unbescheidene Akrobatentricks mit kleinen Verbrennungsmotormaschinen auf oder lässt, einmal mehr, seinen spanischen Unterkörper sitzen und spaziert gitarrespielend davon. Michael Schulig derweil bringt die Sitar zum Klingen oder verirrt sich im Gestrüpp der Sprache: "Sehr verpuptes Erikum!" begrüßt er das sehr verehrte Publikum und stellt erleuchtet fest: "Beim Straßenbau ist es eh so teerig!" Auf seinem Kontrabass leuchten eine Wurst und eine Portion Pommes, die in den nahen Biergarten einladen, auf Gaedts Gitarre turnt der grüne Hulk umher. Man hört Neues von Arnold Schwarzenegger und der gefährlichen Kämpferin Lisl Weappon. Man lauscht, als diese Komödianten sich nach 30 Jahren der Bühnenanarchie mit leeren Plastikwasserflaschen den Rhythmus auf ihre Tierschauköpfe trommeln und dazu singen: "Je ne regrette rien."

Nils und Inga werden aus dem Publikum verschleppt und eingespannt in die berühmte Turbanwickelmaschine oder festgeschnallt auf der Zielscheibe des Messerwerfers. Schwitzen müssen sie ja sowieso. Aber sicher nicht deshalb: Michael Gaedts Messer sind aus Gummi, sie treffen nicht, sie fliegen nicht. Der Messerwerfer, nass wie aus der Dusche, verbeugt sich natürlich trotzdem, und das Zirkuszelt klatscht heiße Luft.

Vorstellungen auf dem Marienplatz bis zum 11. September täglich außer montags. Karten unter Telefon 2 555555.