Die Hochzeit soll perfekt sein, so der Wunsch vieler Frauen – doch woher kommt diese Vorstellung? (Symbolbild) Foto: AP

Brautkleider lassen sich nicht umtauschen, deshalb werden Hunderte in privaten Inseraten angeboten. Welche Schicksale verbergen sich dahinter? Die Autorin Hannah Winkler ist auf Spurensuche gegangen.

Hannover - „Verkaufe Brautkleid, ungetragen“ - solche privaten Kleinanzeigen entdeckte Hannah Winkler gleich hundertfach im Internet, als sie 2015 auf der Suche nach einem unkonventionellen Outfit für ihre eigene Hochzeit war. Die 32 Jahre alte Filmemacherin aus Hannover wurde neugierig und schrieb 2000 dieser Frauen an. Mit über hundert sprach sie persönlich. Das Ergebnis ihrer langen Recherche war zunächst ein Film und ist jetzt auch ein Buch mit Geschichten über zwölf Frauen. Mal platzt die Hochzeit, weil sich der Partner aus dem Staub macht. Eine junge Frau flüchtet vor einer Zwangsheirat mit einem gewalttätigen Mann. In einem besonders traurigen Fall stirbt der Bräutigam vor der Trauung an Krebs.

 

Winkler fuhr kreuz und quer durch Deutschland, um die Anbieterinnen zu treffen. Im Buch beschreibt sie die Begegnungen, bei denen oft Tränen flossen, ausführlich - vorangestellt ist stets der Vorname der Frau und eine Zeichnung des jeweiligen Brautkleides.

Woher kommt die Sehnsucht nach Perfektion?

Zum Schluss schildert die Autorin, die in Ganderkesee aufwuchs und in Bremen studierte, auch ihre eigene Geschichte - als 13. Braut. Denn die Vorbereitung ihrer eigenen Hochzeit während der Recherche wurde zur Zeit fressenden, fast manischen Beschäftigung. Und am Ende hat sie tatsächlich auch ungetragene Hochzeitskleider übrig.

Woher kommt der Perfektionismus, den Bräute vor der Hochzeit an den Tag legen? „Manche Frauen wissen und zeichnen schon als Kind, wie ihr Brautkleid einmal aussehen soll“, sagt Winkler. Sie hätten früh eine genaue Vorstellung davon, wie ihre Hochzeit zu sein hat. „Prinzessinnen-Filme oder Hollywood-Schnulzen verstärken diese Vorstellungen natürlich.“

Viele Frauen bieten die weißen oder elfenbeinfarbenen Roben mit Spitze, Tüll und Schleier im Internet an, weil sie im Kaufrausch vor dem Event gleich zwei, drei oder gar vier Kleider erstehen. „Gekaufte Kleider können nicht zurückgegeben werden. Wenn eine Kundin nach dem Kauf schwanger geworden ist, sucht man nach einer Lösung“, sagt Margret Hoeksma, Inhaberin von Brautmoden Prinzenstraße in Hannover. „Entweder kann das Kleid entsprechend größer gemacht werden oder man schaut nach einem anderen Modell.“

Paare greifen immer tiefer in die Tasche

Verantwortlich für den Hype um den schönsten Tag im Leben sind nach Winklers Überzeugung auch die sozialen Medien, in denen Millionen weichgezeichneter Hochzeitsbilder geteilt werden. „Dadurch steigt der Druck: der Zeitdruck, der finanzielle Druck, der Leistungsdruck“, sagt sie. „Es ist ein Riesen-Spektakel, alles ist durchgeplant - bis hin zum pinken Toilettenpapier.“

Nach Schätzungen macht die Hochzeitsbranche in Deutschland einen Umsatz von rund zwei Milliarden Euro pro Jahr. Vielerorts werden Hochzeitsmessen veranstaltet: Verliebte Paare greifen immer tiefer in die Tasche, das durchgestylte Event ernährt Floristen, Juweliere, Fotografen, Filmemacher, Caterer, Schneider, Musiker und Hoteliers. „Die Hochzeit ist darauf ausgerichtet, was die Außenwelt denken wird. Dabei vergessen manche, warum man heiratet“, beobachtet Winkler.

Die Mehrheit der Frauen, die sie getroffen hat, lernte durch negative Erfahrungen. „Der Schritt, das Brautkleid zu verkaufen, ist für sie der Schritt in ein neues Leben.“ Bei einer sieht die Sache jedoch etwas anders aus: Miriam hatte vor der eigenen Hochzeit kein Geld für das Prinzessinnen-Kleid ihrer Träume, mittlerweile schon. Deshalb stöbert sie in privaten Inseraten, kauft günstig Brautkleider, um sie zu Hause anzuprobieren und wieder zu verkaufen. Ihr Mann toleriert das skurrile Hobby, solange die Schränke nicht überquellen.