Der Schönaicher Pianist und Chorleiter Michael Kuhn veranstaltet in diesem Jahr wieder den „Böblinger Musikfrühling“. Der Auftakt des Kammermusikfestivals in der Aula am Murkenbach war gut besucht.
In eine Tasche passen die Musiker nicht. Und was das Klavierduo Christoph Soldan und Guido Heinke, liebevoll auch Pocket-Orchestra genannt, dem 227-Yamaha-Flügel in der Aula am Murkenbach entlockte, war eher das Gegenteil von klein: nämlich dessen ganze klangliche Bandbreite und Farbenreichtum. Die beiden Pianisten loteten die gesamte Dynamik vom zartesten Pianissimo bis hin zum orchestralen Blechbläser-Fortissimo aus. Das erste Konzert des „Musikfrühlings“, den der Schönaicher Pianist und Chorleiter Michael Kuhn veranstaltet, war gut besucht – ein würdiger Auftakt des Böblinger Kammermusikfestivals.
Sorgfalt in Diktion und Zusammenspiel, feine Erzählqualitäten, eine bis ins Detail ausgearbeitete Interpretation, die jede überraschende harmonische Wendung dem Zuhörer durch kleine Rubati vermittelte und eine virtuose Pedalisierung – an einigen Stellen wechselte Soldan im Rhythmus der Sechzehntelnoten das Pedal – er sorgte so stets für ein volles, aber stets klares Klangbild. Das alles zeichnete das Spiel der beiden Pianisten aus.
Halbstündiges Werk atmet ungarischen Geist
Kein Geringerer als Artur Schnabel hat vor knapp 100 Jahren begonnen, Schuberts Klavierwerke aus Beethovens Schatten und der tradierten Versüßlichung heraus zu holen. Im ersten Teil spielte das Duo Schuberts „Divertissement à la hongroise“. Im 19. Jahrhundert galt dieses Werk als das beliebteste Klavierwerk Franz Schuberts. Sein umfangreiches Schaffen beinhaltet unglaublich viele Werke für Klavier zu vier Händen. Manche Musikwissenschaftler behaupten, dass er so seinen meist adeligen Schülerinnen am nächsten sein konnte.
Das halbstündige Werk atmet ungarischen Geist, inspiriert von Schuberts Aufenthalt beim Grafen Johann Karl Esterházy. Cimbalom-Effekte, Zigeunertonleitern und eine „ungarische Melodie“, die Schubert auch als separates Klavierstück veröffentlicht hat, sorgen für exotisches Kolorit.
Manchmal wirkte es, als spielten sechs Hände
Wahrhaft orchestrale Klänge wuchtete das Duo dann bei Brahms 4. Sinfonie nach der Pause auf die Tasten. Die vierhändige Klavierfassung arrangierte Brahms erst einige Zeit nach der Orchestrierung.
Es war eine ungeheuer energiegeladene Interpretation. Man konnte markante Hörner, tiefe Bässe, lyrische Cello-Cantilenen, leuchtende Oboen und strahlende Flöten hören. Im ersten, von Melancholie durchzogenen, Satz waren interessanterweise die Stimmen oftmals besser durchzuhören als in der Orchesterfassung. Auch im langsamen Satz, wo im Orchester die Geigen bis zu 16-fach geteilt spielen und so den vollen satten und zufriedenen Brahmsklang entfalten, war das warm und voluminös klingende Klavier der Orchesterfassung ebenbürtig. Man hatte manchmal den Eindruck da spielen sechs und nicht vier Hände auf allen Registern des Yamahaflügels.
Begeisterter Applaus vom Publikum
Acht feierliche Akkorde eröffnen – gleich einer ehernen Überschrift – die überwältigende Schlusspassacaglia, deren 30 Variationen samt 59 Takten Coda mit einer grandiosen finalen Steigerung von Soldan und Heinke stets dicht, intensiv und mit nicht abreißen wollender Energie meisterhaft interpretiert wurde. Begeisterter Applaus in der recht gut besetzten Aula lockte die Pianisten viermal hinter der Bühne hervor und entlockte ihnen als Zugabe noch einen A-Dur-Walzer von Brahms.
„Ein gelungenes Auftaktkonzert des diesjährigen Musikfrühlings“, lautete das Fazit von Michael Kuhn, der die Kammermusikreihe mit seinem Verein „Pro Arte“ in Zusammenarbeit mit dem Böblinger Kulturamt organisiert.
Nächstes Konzert am 7. Mai
Festival Das nächste Konzert der Reihe findet am Samstag, 7. Mai, um 20 Uhr statt. Die Belcanto Harmonists, in neuer Besetzung und mit überwiegend neuem Programm, singen und spielen Evergreens der Comedian Harmonists. Karten gibt es bei der Kreiszeitung unter der Telefonnummer (0 70 31) 62 00 29.