So grieselig sah der TV-Schirm damals aus: Karl-Eduard von Schnitzler warnt mal wieder die DDR-Bürger vor dem Elend im Westen. Foto: dpa/dpa

Wenn im DDR-Fernsehen die BRD besonders giftig zerlegt wurde, war meist er beteiligt: Karl-Eduard von Schnitzler. Der scharfzüngige rote Adlige kämpfte mit seiner Sendung „Der schwarze Kanal“ fast drei Jahrzehnte lang gegen den Westen. Kurz vor dem Mauerfall kam 1989 das Aus.

Berlin - Der Herr trägt Sakko, Hemd, Krawatte und eine Brille mit dicken Gläsern. Am Abend des 21. März 1960 erscheint er zum ersten Mal mit seiner Politsendung auf den Bildschirmen des DDR-Fernsehens. Schon seine ersten Sätze sind pure Propaganda: „Der Schwarze Kanal, den wir meinen, meine lieben Damen und Herren, führt Unflat und Abwässer. Aber statt auf Rieselfelder zu fließen, ergießt er sich täglich in Hunderttausende westdeutscher und West-Berliner Haushalte. Es ist der Kanal, auf welchem das westdeutsche Fernsehen sein Programm ausstrahlt - der Schwarze Kanal. Und ihm werden wir uns von heute an jeden Montag zu dieser Stunde widmen, als Kläranlage gewissermaßen - im übertragenen Sinne.“

Der Herr hieß Karl-Eduard von Schnitzler. Im Anschluss an den in Ost und West beliebten „Montagsfilm“ des Deutschen Fernsehfunks kommentierte er fortan jede Woche ab 21.30 Uhr mit scharfer Zunge das Tagesgeschehen im Westen. 20 bis 30 Minuten lang. Auf 1519 Folgen kam seine Propaganda-Sendung „Der Schwarze Kanal“. Aber vor 30 Jahren war Schluss: Am 30. Oktober 1989 verabschiedete sich der Chefkommentator des DDR-Fernsehens in der sehr kurzen letzten Folge.

Die Zielgruppe wechselt

Das Deutsche Rundfunkarchiv, das alle Sendemanuskripte vom „Schwarzen Kanal“ digitalisiert hat, beschreibt dessen Ziel heute so: „Während die Sendung ursprünglich zur ideologischen Beeinflussung der BRD-Bürger in das Programm aufgenommen worden war, zielte sie schon bald - im Zuge der Abgrenzungspolitik der DDR - auf die eigene Bevölkerung, um die unerwünschten Einflüsse des Fernsehens der Bundesrepublik zurückzudrängen.“

Das Konzept der Sendereihe: Ausschnitte aus westdeutschen Fernsehsendungen wurden gezeigt und dann im Sinne der Staatsdoktrin ausgelegt. Gleich in der ersten Sendung nimmt Schnitzler Bundeskanzler Konrad Adenauer ins Visier. Dieser spricht über die Verbesserung der Nato-Logistik für den Fall eines sowjetischen Angriffs. Schnitzler wettert: „Dieser Mann ist nicht nur ein lügnerischer Störenfried, er ist ein gefährlicher Störenfried ... er kalkuliert eiskalt und gewissenlos den Krieg ein.“

Adlige Verbindungen

Der Lebenslauf des TV-Agitators ist ungewöhnlich: Schnitzlers Familie stammte wie Adenauer aus dem Rheinland. Karl-Eduard, geboren 1918 im späteren West-Berlin, war Sohn des königlich-preußischen Geheimen Legationsrats Julius Eduard von Schnitzler. In seiner Autobiografie bezeichnete er sich auch als illegitimen Urenkel von Kaiser Friedrich III. Seine Urgroßmutter sei außerehelich vom früheren Kronprinzen Friedrich Wilhelm schwanger geworden.

1937 trat Schnitzler nach eigenem Bekunden in die verbotene Kommunistische Partei Deutschlands ein und wurde ein Jahr später von der Universität verwiesen. 1944 geriet er in britische Kriegsgefangenschaft. Im gleichen Jahr wurde er Mitarbeiter der Deutschlandabteilung der BBC. Am 1. Januar 1946 wirkte Schnitzler an der Gründung des Nordwestdeutschen Rundfunks (NWDR) in Köln mit - und wurde stellvertretender Intendant.

Bei Sudel-Ede wird umgeschaltet

Doch im Dezember 1947 war Schluss beim NWDR. Er sei wegen seiner „sozialistischen, auf dem historischen Materialismus basierenden, an keine Partei gebundenen Überzeugung“ entlassen worden, schrieb Schnitzler danach in einer Erklärung. 1947 zog er in die Sowjetische Besatzungszone um und machte dort recht schnell Karriere. Bald trat er in die SED ein.

Auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs bekam Schnitzler später als Autor des „Schwarzen Kanals“ den Spitznamen „Sudel-Ede“. Die meisten DDR-Bürger schalteten auf Westfernsehen um, bevor die Agitationssendung begann. Über die Quoten heißt es im Buch „Das dicke DDR-Fernsehbuch“: „Der „Schwarze Kanal“ hatte manchmal fünf Prozent, manchmal zehn Prozent und manchmal 15 Prozent Zuschauer.“

Die einzige Alternative?

Kurz vor dem Mauerfall musste Schnitzler schließlich 1989 Abschied nehmen - ganz in seiner Art: „Der Revanchismus bleibt uns erhalten. Der Klassenkampf geht weiter.“ Und: „Einige mögen jubeln, wenn ich diese Fernseharbeit nun auf andere Weise fortsetze. Nicht, dass ich etwas zu bereuen hätte. Ich werde meine Arbeit als Kommunist und Journalist für die einzige Alternative zum unmenschlichen Kapitalismus fortsetzen. Als Waffe im Klassenkampf, zur Förderung und Verteidigung meines sozialistischen Vaterlandes. Auf Wiederschauen.“