Der chinesische Starpianist Tian Jiang begeistert gemeinsam mit dem jazzenden Pfarrer Dennis Müller beim Benefizkonzert für die Vesperkirche
Wer hätte das gedacht? Tian Jiang kann auch populär. Nach zwei Stunden spielt der Pianist, der sich sonst in der Klassik bewegt, als letzte Zugabe „My Way“. Das Publikum in der vollbesetzen Friedenskirche ist schier aus dem Häuschen. Frank Sinatras Welthit ist der Schlusspunkt eines mitreißenden Konzertes mit dem durchaus als Weltstar zu bezeichnenden chinesisch-amerikanischen Pianisten und dem Ludwigsburger Pfarrer Dennis Müller.
Und der erklärt auch, wie es zu dieser Zusammenarbeit gekommen ist: Die Frauen der beiden sind Schwestern. Über den familiären Kontakt ist eine bemerkenswerte künstlerische Kooperation entstanden. Denn Müller ist nicht nur Seelsorger, sondern auch begeisterter Pianist, der sich, inspiriert durch den legendären Chick Corea, dem Jazz verschrieben hat.
An seiner früheren Wirkungsstätte in Leonberg initiierte Dennis Müller während Corona mehrere Hauskonzerte, nach der Pandemie spielte er im größeren Rahmen mit regionalen Jazzgrößen nicht nur in seiner Michaelskirche, sondern in vielen Sälen. Sein Engagement hat Müller den Beinamen „der jazzende Pfarrer“ eingebracht. Musikalischer Höhepunkt war vor einem Jahr der erste gemeinsame Auftritt mit Tian Jiang in der ausverkauften Leonberger Stadthalle.
Nach seinem beruflichen Wechsel in die Friedenskirche wollte Dennis Müller auch den Ludwigsburgern diesen besonderen musikalischen Genuss bieten und das gleich mit einem guten Zweck verbinden. Denn der Erlös des Konzertes am Freitagabend geht an die Vesperkirche, die vom 9. Februar bis zum 2. März läuft und neben täglichem Essen ein großes Kulturprogramm beinhaltet.
Die Kunst des in Shanghai geborenen Tian Jiang, der seinen musikalischen Durchbruch 1989 in der legendären Carnegie Hall hatte, lässt sich nur schwer in Worte fassen. Er interpretiert selbst schwierigste Kompositionen von Chopin oder Rachmaninow mit einer virtuosen Leichtigkeit, so als hätte gleich vier Hände. Das Publikum kommt aus dem ungläubigen Staunen ob dieser Genialität überhaupt nicht mehr heraus.
Gastgeber Müller improvisiert entsprechend seines musikalischen Vorbilds Chick Corea und moderiert den Abend mit kleinen Anekdoten, etwa seinen musikalischen Anfängen vor vielen Jahren als Noten-Umblätterer während der Ludwigsburger Schlossfestspiele. Einmal hatte er eine Seite zu viel umgeschlagen – sehr zum Missfallen des Künstlers. Zum Finale des Ludwigsburger Konzertes setzen sie sich bei Jiangs Komposition „Shanghai Dream“ und ihrer Interpretation von“Game of Thrones“ gemeinsam ans Piano.
Die zwei Stunden vergehen wie im Flug, das Publikum ist begeistert. Jiang, der erst kürzlich von einer langen China-Tournee über Weihnachten und Neujahr zurückgekommen ist, kann sich nun zufrieden seiner Frau und der kleinen Tochter widmen. Der Künstler hat seinen Hauptwohnsitz von Manhattan nach Gerlingen verlegt. Und die gute Nachricht zum Schluss: In ziemlich genau einem Jahr, am 24. Januar 2026, treten beide wieder in der Leonberger Stadthalle auf.